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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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gezittert hatte!
    Scharen von Bauern kamen, auf die Kunde von den Ereignissen hin, in die Stadt gepilgert und heizten die Stimmung an. Niemand verstand das zunächst, denn ausgerechnet sie saßen ja auf der Scholle und hatten die berühmte »Lagerstatt der Tiere«. Man verstand auch nicht, wie sie so einfach die Arbeit verlassen konnten. Aber dann stellte sich heraus, daß es gar keine Bauern, sondern ländliche Lohnarbeiter waren.
    Tiberius Gracchus erschrak zum zweitenmal. Die Welle schlug über seinem Kopf zusammen. Rom machte in diesem Augenblick den Eindruck wie fünf Minuten vor dem Bürgerkrieg. Wo war das Pulver hergekommen? Ehe es explodierte, müssen wir uns dieses Pulver tatsächlich etwas sorgfältiger anschauen.
    Wie sah Tiberius die Lage der Bauern?
    Die Höfe wurden verlassen. Ein Faktum. Aber nicht, weil die Stadt mit ihren Verführungen lockte, o nein, sondern weil die Felder den Bauern nicht mehr ernährten. Warum ernährten sie ihn plötzlich nicht mehr? Weil eine rücksichtslose Unternehmerschicht sich auf den Import geworfen hatte und durch billige Einfuhren den Markt überflutete. Die Bauern bekamen ihr Getreide nicht mehr zum alten Preis los.
    Die verlassenen Höfe wurden von den Großgrundbesitzern für ein Butterbrot aufgekauft. Das Land geriet immer ausschließlicher in die Hand von einigen wenigen Familien. Die neuen Besitzer stellten die Höfe auf Oliven, Wein und Schafzucht um. Dafür standen den reichen Herren Scharen von jenen Sklaven zur Verfügung, die der Krebsschaden des ganzen arbeitenden Volkes waren.
    Gracchus, den der kommunistische Historiker Francis Ridley einen »Möchtegern-Reformer« nennt, sah diese Dinge wie ein hauptamtlicher Idealist, das heißt, auf eine todgefährliche Weise. Er sah die Fakten, erkannte auch einige Ursachen richtig, aber er ignorierte total die viel mächtigeren Triebe in den Menschen. Und er tat vor allem eines: Er leugnete jede Wechselbeziehung.
    Das sind tödliche Irrtümer. Die Geschichte hat es damals bewiesen, und das heutige Italien beweist es mit erschreckender Deutlichkeit aufs neue. Wieder veröden die Höfe, wieder ziehen die Bauern in die Städte und bilden die formlose Quellmasse, wieder wartet ein Gesetz in jeder Legislaturperiode darauf, beschlossen zu werden, ein Gesetz, das den bisherigen Pachtbauern das Recht zuspricht, den Hof und das Land vom »padrone« zu einem vom Staat festgesetzten Preis zu kaufen.
    Ich habe — zusammengerechnet — zehn Jahre im heutigen Italien gelebt, wenig unter Städtern, mehr unter Grundherren, am längsten unter Bauern. Und zwar in demselben Etrurien (Toskana), das damals wie heute das Fanal für Italien ist. Ich habe mit vielen Menschen gesprochen. Alle Bauern um mich herum, deren Firmlinge ich beschenkt, deren Hochzeitsfeste ich mitgemacht, deren Heubrände ich mit gelöscht und deren Hühnereier ich gekauft habe, alle sind sie extreme Sozialisten oder Kommunisten.
    Die Ernte in der Toskana ist nicht schwer, das Hauptgewicht liegt auf Wein und Olivenöl. Die Bauern, die unkündbar sind, während sie selbst jederzeit gehen können, haben den Ertrag ihrer Arbeit mit dem Grundherrn zu teilen, sechzig Prozent für sich, vierzig für den Padrone. Die Teilung ist — wer wollte das leugnen — sowieso nie ehrlich. Es gibt ein Sprichwort: »Und nun, padrone, wollen wir mal Ihre Hälfte teilen«.
    Der Grundherr leistet dafür folgendes: Er stellt das Haus, kommt für die Versicherungen auf, stellt sämtliche Maschinen und Geräte und bezahlt das gesamte Saatgut. Alle Reparaturen gehen zu seinen Lasten, alle Steuern bezahlt er. Pachtverträge, die der Größe des Hofes entsprechend auf zwei Familien oder mehrere männliche Arbeitskräfte lauteten, werden längst nicht mehr erfüllt. Irgendein Familienrest arbeitet noch auf den Feldern, die anderen, die die weitläufigen Häuser benisten, sind Verwandte, die kostenlos einwohnen, denn Mieten sind hoch. Entfernungen zu fremden Arbeitsstätten bilden kein Problem. Die Bauern eines Bekannten von mir, eines mäßig verdienenden Arztes, besitzen drei Autos. Es sind fünf Erwachsene, einer macht den Bauern. Er ist sechzig Jahre alt. Sein Sohn ist bei der städtischen Müllabfuhr, er verdient netto eintausend Mark im Monat, ich habe es nachgezählt. Seine Frau und seine Schwiegertochter sind Packerinnen in einer Wäscherei und bringen zusammen neunhundert Mark heim. Die Säuglinge und Kleinkinder stören nicht, denn dafür ist die Großmutter da, die ursprünglich den

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