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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Generation des Hannibal-Krieges lebte in Rom kaum noch einer — ich sage »kaum«. Wir werden gleich sehen, wer noch lebte. Alles war schon längst Hörensagen; es mußte lange verjährt sein, wenn das Wort verjährt überhaupt einen Sinn haben soll.
    Man vermutet jetzt allgemein, daß die Erklärung auf psychologischem Gebiet liegt.
    Die Römer hielten bewußt etwas wach in Ermangelung von Ergiebigerem: Sie hegten und pflegten die Wahnvorstellung vom Erbfeind und vor allem von der untilgbaren Schuld Karthagos, zuerst als Trauma der alten Kämpfer des Widerstandes, dann im unbewußten Bann eines werdenden Mythos, und schließlich um zu überdecken, was sie selbst inzwischen alles getan hatten. Es mußte stets einen größeren Verbrecher geben, als sie es in den Augen von irgend jemand vielleicht waren. Hannibal wurde das, was er damals, 201, gar nicht gewesen war: Der Inbegriff des Weltzerstörers; und wenn die Völker jetzt litten, so war das seine Erbschaft.
    Das Dogma ging leicht ein, es war ein Alibi für die »richtige« Gesinnung, und es war eine Welle, auf der man reiten konnte; eine Woge, die trug.
    Der Chefideologe — wenn man einen Menschen, der am lautstärksten und beharrlichsten immer wieder seine Schallplatte abspielt, so nennen kann — war ein Mann von überraschenden Wesenszügen. Er war integer, absolut ehrenhaft, absolut uneigennützig, gänzlich anspruchslos und vorbildlich sittenstreng. Ich meine den alten, damals inzwischen neunzigjährigen Cato.
    Nun gut, das läßt sich noch vereinen mit seinem monotonen »Ceterum censeo Carthaginem esse delendam«, mit dem er des Morgens aufwachte und des Abends schlafen ging. Das Erstaunliche und ganz Ungereimte aber ist die Tatsache, daß er ein Gegner der Kriege, ein Gegner des Imperialismus und ein unermüdlicher Bekämpfer der römischen Eroberungen war. Er hat sie gehaßt und verachtet. Er hat, obwohl er selbst noch als Siebzehnjähriger in der Schlacht am Metaurus mitgekämpft hatte, Soldatenmacht und Kriegsrausch so verabscheut und verfolgt, daß er zum Beispiel Scipio ins Exil trieb. Dennoch war er es, er, der im Senat jede Rede, auch über Schellfische, mit den Worten schloß: »Übrigens bin ich der Meinung, daß Karthago zerstört werden muß.«
    Man rätselt heute an dieser Gestalt nicht mehr herum. Man registriert sie als grundsätzliche Möglichkeit der politischen Gehirn-Punktion eines sonst normalen Intellekts.

    *

    Die Welt, soweit sie in Greifweite gelegen hatte, war erobert. Die Helden kehrten heim. Sie hatten alle ein erstklassiges Gewissen, wenn auch ihr Soldateneid (den wir kennen) so eine überholte Redewendung enthielt wie: »...und nie eine ungesetzliche Tat zu begehen.« Reich an Sold und Beute, »orden«-geschmückt, das heißt mit verliehenen Armspangen, Ehrenlanzen, Haisund Stirnbändern, marschierten sie hinter dem Triumphwagen des Oberbefehlshabers her. Ein vergnügter Faschingszug von Soldaten, liedersingend, jubelnd in die Hände klatschend. Der Marsch durch die festliche Stadt konnte gar nicht lang genug sein.
    Er begann auf dem Marsfeld, wo sich der Zug formierte. Dann ging er am Forum boarium, dem Zentralmarkt, vorbei zum Tempel des Herkules, dem man als Schutzherrn eine kurze Reverenz bezeugte, durchzog den Circus Maximus, die Via Sacra am Forum Romanum und stieg schließlich zum Kapitol hinauf. Alle Wege waren vom Volk eingesäumt, alle Statuen geschmückt, alle Tempeltüren weit geöffnet. An der Spitze schritten die Konsuln und Senatoren. Ein Musikzug von Hornbläsern bildete die nächste Gruppe. Die dritte aber war in aller Augen die spektakulärste: unzählige Amtsdiener trugen die wichtigsten Beutestücke und zeigten sie dem Volke: Gold, Silber, Waffen, Statuen, kostbare Vasen, heilige Symbole, Tempelschätze, exotische Tiere und schließlich, in Ketten, den besiegten Fürsten oder Feldherrn.
    Und dann kam der Wagen des Triumphators, umtanzt von Gauklern und Akrobaten, Heldensängern, Lyraspielern und Spaßmachern, die Spottverse auf den Triumphator dichteten und über seine Eitelkeit witzelten — verblüffend im ersten Moment und fast unglaublich, aber tatsächlich ein uralter Ritus aus der Zeit, als man noch an die Virtus glaubte und dem Sieger die ewige Vanitas vanitatum, die Vergänglichkeit allen Ruhmes und allen Lebens vor Augen halten wollte. Köstlich auch heute wieder ihre Witze; niemand hätte darauf verzichten wollen. Sehr komisch.
    Und dann kamen die Tausende von Soldaten.
    Und dann war der Tag

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