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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Fortsetzung des Tiherius Gracchus. Er nahm auch dessen Ende. Und so wäre es wohl noch ein Weilchen weitergegangen, wenn nicht die Cimbern und Teutonen mit ihren Keulen an die Tür geklopft hätten, eine kleine Gedächtnisauffrischung, die von Zeit zu Zeit jedem gut tut.

    Videant consules!
    »Jetzt mögen die Konsuln Zusehen, daß die Republik keinen Schaden nimmt!« Mit dieser Formel erhielten einst die Konsuln die Vollmacht, den Diktator zu ernennen, und mit diesen Worten hatte der Senat den Staatsnotstand ausgerufen und dem Konsul Publius Mucius den Auftrag gegeben, gegen die Verfassungsbrecher einzuschreiten. Mucius hatte die Hände in den Schoß gelegt. Er hatte keine Polizei gerufen, es waren keine Soldaten aus den Kasernen geholt und Tiberius nicht angeklagt und verurteilt worden. Die Senatoren hatten den Pflichtvergessenen nicht angetastet, aber sie hatten zur letzten, verzweifelten Notwehr gegriffen und Tiberius und seine »Fäuste« erschlagen. Menschlich wie staatsrechtlich liegt der Fall klar. Die Wahrung des Staatsrechts, in dessen Schoß das Straf-recht ja nur geborgen liegen kann, ist eine diktatorische Forderung für die, in deren Obhut es gelegt wurde. Ein Staatsmann, der an dieser Forderung vorübergeht, begeht »Fahrerflucht«; wer sie erfüllt, genießt einen über allem Strafrecht stehenden Schutz. Der Fall liegt klar, und die Senatoren sind auch nicht vor die Schranken eines Gerichtes gekommen. Menschlich aber ist er schrecklich. Schrecklich der Zynismus auf der einen, schrecklich die entfesselte Verzweiflung auf der anderen Seite. Am schrecklichsten, daß es wahrscheinlich ein Scipione war, Scipio Nasica, der den Tiberius, Sohn der Cornelia Scipio, erschlug. Er ging freiwillig außer Landes.
    Die Plebs hielt den Tod des Gracchen für reinen Mord. Denn das eine, das Recht, war für sie Theorie, das andere, Tiberius, war Fleisch und Blut gewesen. Es dauerte nicht lange, da verklärte er sich zum unschuldigen Märtyrer. Im ursächlichen Sinne war er es sogar; die, für die er alle Schuld auf sich genommen hatte, verdienten es nicht.
    Der Senat mißbrauchte seinen »Sieg« nicht, er ließ die Agrarkommission im Amt, das Gracchenprojekt ging weiter. So war es ja auch seine Pflicht, denn das Projekt selbst widersprach nicht der Verfassung. Ob der Senat das gern oder ungern duldete, ist nur interessant, wenn man Stoff sucht, ihn zu diskriminieren. Das Volk also sah, daß es weiterging. Die Gracchenpartei gewann eine gewisse Sicherheit zurück, vor allem Jugendliche drängten sich vor, sofern man unter »Jugend« das versteht, was Rom zu dieser Zeit darunter verstand: junge Leute von siebenundzwanzig, achtundzwanzig Jahren, die knapp ihren Militärdienst absolviert hatten. Sie besaßen nicht den geringsten Weitblick, aber sie waren enthusiastisch, vor allem, da es sich nicht um die Verteilung ihres persönlichen Eigentums handelte.
    In jener Periode schuf man rund siebzigtausend Bauernstellen, zumindest steckte man, da noch keine Bewerber und oft keine Gebäude vorhanden waren, die Claims ab. Daß diese Felder zu einem Teil gar nicht römischen Grundbesitzern, sondern wildfremden Leuten, nämlich befreundeten Völkern oder verbündeten Italikern gehörten, Eigentümern, die oft selbst Bauern waren, das störte diese jungen Menschen wenig.
    Aber die Italiker störte es, und es kam zu einem soliden Aufstand gegen Rom. Der Senat hatte die Ehre, ihn beizulegen.
    Scipio Aemilianus, der zu diesem Zeitpunkt gerade von irgendwoher als siegreicher Feldherr heimgekehrt war, nutzte den Augenblick seiner Popularität, einen Beschluß durchzudrücken, durch den der Agrarkommission wenigstens die Rechtshoheit in ihrer Arbeit genommen und dem Senat zurückgegeben wurde. Wohlgemerkt: Die Volksversammlung faßte den Beschluß.
    Die Reaktion (Ja, wessen? Wie vieler?) war ein Aufschrei! Scipio Aemilianus, der sich bester und robustester Gesundheit erfreut hatte, war am nächsten Morgen tot. Der rätselhafte Fall wurde nie geklärt. Aber um der Plebs die Ehre zu geben: sie sprach auch hier von reinem Mord. Viele, sehr viele kluge Römer haben sich gewünscht, es würde noch ein Karthago geben oder die Kelten; irgendeine Angst, die Rom wieder zur Besinnung bringen könnte.

    *

    Neun Jahre waren seit dem Tode des ersten Gracchen vergangen, da schickten die Sempronier den zweiten Gracchen ins Feld, seinen Bruder Gaius. 124 kam er von seiner auswärtigen Quästur in Rom an — genau wie einst Tiberius.
    Wenn Tiberius in

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