Cäsar läßt grüssen
aber von den umbrischen Hügeln herabsteigen und in die Städte streben, sind um keinen Preis nach Afrika zu bekommen. Seine Reformideen und der »Volkswille« strebten hier schon weit auseinander; noch weiter in seinem Wunsch, allen Latinern das römische Bürgerrecht zu geben. Die Plebs, gerade die Plebs, war empört.
Gaius ist auch — bei vielen guten Ansätzen — vom Volke ausgebeutet worden. Sein Projekt, durch die Anlage von großen Kornvorräten die Getreidepreise zu stabilisieren und das Leben aller Bewohner Roms durch dieses unbegrenzte Staatsaufkommen zu sichern, ist von Scharen von Zuwanderern mißbraucht worden wie eine öffentliche Vogeltränke. Während er (zwei Monate lang) in Afrika weilte, ging sein Stern in Rom unter. Zum Teil von selbst, zum Teil durch Agitation der Gegner. Das Kolonialgesetz wurde abgelehnt, er selbst 121 nicht mehr wiedergewählt. Es wird kein so großer Zufall gewesen sein, daß er schon im Jahre zuvor nur an vierter Stelle unter den Volkstribunen durchgekommen war.
Weder er selbst noch seine Anhänger waren gewillt, die Wahlniederlage hinzunehmen. Sie waren nicht der Meinung, daß ein Volksvertreter die Entscheidung des Volkes, daß ein Demokrat die Entscheidung des Demos zu respektieren habe. Sie entschieden sich für den bewaffneten Aufstand, für den Bürgerkrieg!
Der Senat rief den Notstand aus. Konsul Lucius Opimius, ein Plebejer, mobilisierte das Militär. Die Aufrührer zogen sich auf den Aventin zurück, wurden eingeschlossen und bald darauf überwältigt. Gaius Gracchus, den Bankrott seiner Ideen und das Ende seines Lebens vor Augen, zog es vor, freiwillig in den Tod zu gehen. Auch dafür, für diese letzte Mühe, bediente er sich noch der Hand und des Gewissens eines anderen: er ließ sich von seinem Leibsklaven erstechen.
Die Gracchen waren tot, sie hatten sich ausgerottet mit lauter Vabanquespielen. Vieles, was sie versucht hatten, war ehrenvoll, mehr aber war utopisch, mehr noch gegen das Gesetz und alles zur falschen Zeit. Cornelia Scipio Sempronius trug die Tragödie stumm und mit so großer Würde, daß noch spätere Geschlechter sie als bewundernswerte Gestalt in der Geschichte der römischen Frau verehrten.
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Die Souveränität von Konsulat, Senat und Tributkomitien war wieder hergestellt. Dem Anschein nach trugen einige Ideen der Gracchen auch über deren Tod hinaus noch Früchte. In Wahrheit waren es Halbheiten eines nach den Aufregungen der vergangenen Jahre fast eingeschlafenen und ratlosen Senats. Fallen gelassen hatte man natürlich die extremen Projekte der Gracchen; aber mit einigen anderen glaubte man, noch hökern gehen zu können. So ließ man die Agrarreform nicht eingehen; von Zeit zu Zeit kam dabei auch irgendetwas heraus, meist etwas Unsinniges, so daß es fast den Eindruck macht, als wollte man die an sich schon unrealistischen Gedanken der Gracchen vollends ad absurdum führen. So verfügte man zum Beispiel eines Tages, sämtliche Pachthöfe hätten in den uneingeschränkten Besitz der Bauern überzugehen, eine Maßnahme, die bei den Pächtern eine geradezu amüsierte Dankbarkeit auslöste, denn nun konnten sie endlich alles verkaufen und in die Stadt ziehen. Auch das Getreidegesetz, auf dem sich das stetig zuwandernde Proletariat häuslich niederlassen konnte, wurde verwirklicht. Und schließlich blieb — beinahe möchte man es »zufällig« nennen — ein wenigstens im Ansatz vernünftiges Gesetz der Gracchen unverfälscht in Kraft, das sogenannte »Richtergesetz«. Ersparen Sie mir, es Ihnen auseinanderzusetzen — so begeisternd ist es auch wieder nicht.
Ein subalterner Trott war überall spürbar. Zwischen Bombenlegen und eingeschlafenen Füßen schien es zehn Jahre lang kein Mittelding mehr zu geben.
Dann kam endlich das, was so mancher sich als Medizin ersehnt hatte: die Gefahr von außen. Von Norden. Vom höchsten, noch sagenhaften, unerforschten Norden.
»Die Deutschen kommen« ist ein Ruf, der heute alljährlich aufs neue die Herzen der Italiener, vor allem der Hoteliers und des Finanzministers schneller schlagen läßt. Auch damals, als der Ruf erscholl »Die Teutonen kommen«, schlugen alle Herzen schneller, womit medizinisch bewiesen ist, daß man sich auf den Herzschlag als Kriterium nicht verlassen kann. Der ewige Versuch des menschlichen Herzens, mitzudenken und zu urteilen, geht über seine Befugnisse hinaus. Es sollte sich damit begnügen zu schlagen, und zwar regelmäßig.
Es gab damals in Rom wenige, die das
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