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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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er:
    »Ach, so früh, so früh der Bruder dem Bruder
    geraubt! Nimm, lieber Bruder, mein Opfer,
    von Tränen naß, und lebe wohl, leb wohl auf ewig.«
    Und seine Geliebte betete er an:
    »Laß uns leben, Geliebte, laß uns lieben!
    Kümmre dich nicht um das Munkeln und Grämeln
    und den Staub überlebter, vertrockneter Sitten.
    Die Sonne wird ewig kommen und gehen und
    wiederum kommen, doch wenn unser eigenes kleines
    Flämmchen einst sinkt, dann schlafen wir
    eine Nacht für immer.
    Liebste, küsse mich hundert- und tausendmal, und
    noch einmal tausend und tausend,
    damit wir das Schicksal verwirren, daß es die
    Summe nicht weiß und uns neidet.«
    Das ist schön. Alkaios und Pindar sind die Väter, die ihn allerdings um Haupteslänge überragen.
    Der dritte der Generation ist Sallust, geboren 86, gestorben 35.
    »In einigem Abstand«, schreibt unser Literaturhistoriker, »muß hier Sallust genannt werden. Er fing als Politiker an und wurde, wie mancher andere, so reich durch diese Tätigkeit, daß er die berühmten Sallust’-schen Gärten anlegen konnte. Hier hat er dann in Beschaulichkeit seine Geschichtsstudien getrieben und seine Bücher verfaßt. Manches stimmt nicht, aber das ist ihm gleich.« Ja, aber uns ist es nicht gleich.
    Sallust begann als Volkstribun, sprang dann in die Senatslaufbahn über, wurde aus dem Senat wegen persönlicher Dinge ausgestoßen, warf sich an den nächsten Machthaber heran, bis er die Stelle eines Statthalters in Numidien erhielt, wo er der größte Blutsauger und Erpresser wurde. Volksfreund und ehemaliger Tribun Sallust wurde natürlich nie zur Rechenschaft gezogen und verbrachte den Rest seines Lebens, den er sich gewiß länger vorgestellt hat, »in Beschaulichkeit«. Sein Hauptanliegen war, die berüchtigte Verschwörung des Catilina zu verewigen und für diesen Strauchritter eine Lanze zu brechen. Zu Herrn Catilina und seinesgleichen kommen wir jetzt.

    *

    Sulla hatte kaum die Augen geschlossen, da bröckelte Stück für Stück dessen ab, was er errichtet hatte. Es war eigentlich gar nicht die gedankenlose Masse, die das Gebäude zum Einsturz brachte, obwohl auch dies nicht verwunderlich gewesen wäre, denn sie schreit Hosiannah und Kreuzige in einem Atemzug. Ja, man kann nicht einmal den Einpeitschern, die sofort wieder in den Sattel kletterten, die Schuld geben. Die wahren Schuldigen waren die Optimaten selbst, Patrizier und Equités, zu morsch, um noch Rückgrat zu zeigen, zu feige, um noch die Brust hinzuhalten, zu bequem, um nicht den Weg der geringsten Mühe zu gehen. Jeder fand ein Mäntelchen für sein schwaches Kreuz, man wollte »Härten wiedergutmachen« — Sullas natürlich; Marius’ und Cinnas nicht, die hatte es nie gegeben.
    Man wollte »Gefallen tun«, man wollte sich »Freunde schaffen« und Brücken für die Zukunft bauen, eine Zukunft, die schon wieder etwas rötelte. Man wollte vor allem nicht »immer der einzige Dumme« sein, das heißt, nicht mehr integer. Sulla hatte viele verärgert, er hatte das Mindestalter für die Ämter heraufgesetzt, um der Jugend, die noch nicht trocken hinter den Ohren war, ein paar Lehrjahre des Lebens mehr aufzubrummen. Er hatte den Ämterschacher unterbunden, die Vetternwirtschaft, die Bestechung, lauter Dinge, die das Leben so ergibt und die doch wirklich nicht schlimm sind. So hören wir denn, daß man mit »Politik« wieder reich werden konnte; daß die Proskribierten der Verurteilungslisten, die Sulla bekanntlich alle getötet hatte, wieder auferstanden und auf Betreiben einflußreicher Verwandter nach Rom zurückkehren durften; daß die Volkstribunen wieder ihre Massen aufwiegelten und »Beschlüsse« durchsetzten; daß ein Konsul versuchte, sich unter den Augen des Senats, dieser Bude voller Manager und Feiglinge, zu einem neuen Robespierre zu machen, was ihm im letzten Moment mißlang; daß ein Subjekt wie Catilina, den gutgläubige Sozialisten heute noch für einen der Ihren halten, einen Geheimbund organisierte mit dem Ziel, die Konsuln zu ermorden und sich an die Spitze zu bringen. Daß die Lebensmittelversorgung Roms in größte Gefahr geriet, weil sich riesige Seeräubergemeinden mit ganzen Flotten und Landfestungen gründeten und die Meere zu beherrschen begannen; daß Mithridates in Asia seine Schlachtfeste wieder aufnahm, und daß ein ehemaliger marianischer Offizier in Spanien die Iberer aufwiegelte, sich zu ihrem König ausrufen ließ, sich als römische »Exilregierung« betrachtete, sich mit dem

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