Cäsar läßt grüssen
gleich auf morgen. Er hatte viele Freunde, wirkliche Freunde unter seinen Kampfgenossen, Freunde, die bei jeder Vermietung davor zitterten, gegeneinander zu kommen. Sie alle teilten seine Meinung. Spartakus war von Geburt ein freier Thraker, er stammte also aus der Gegend des heutigen Bulgariens, ein kluger Mann, ein Mann mit Weitblick, rascher Auffassungsgabe, Verantwortungsbewußtsein, ein Mann von deutlicher Noblesse trotz seines ungeschlachten Wesens und seiner titanischen Figur, die über sein leidempfindliches Herz hinwegtäuschte. Er wollte nicht Sklave sein, er wollte, daß niemand Sklave sei. Und er wollte nicht sterben. Das war eigentlich alles, was ihn bewog. Nichts Kompliziertes also, nichts, was die hochempfindliche, die so fein differenzierte, schöne Volksseele Roms nicht hätte begreifen können.
Wie oft hatte Spartakus nicht die Plebs beobachten können, wie sie, keine Kosten und keine Zeit scheuend, von weit hergereist kam, nur um den Gladiatoren am Vorabend ihres Kampfes bei der »libera cena« zuzusehen, einer — nun sagen wir — Henkersmahlzeit, die in der Öffentlichkeit stattfand. Die Gladiatoren haßten dieses Fressen, denn da galt es, mit gutem Appetit tüchtig zuzugreifen, um sich nicht dem Spott der Menge auszusetzen. Und er hatte die Plebs gesehen, wie sie in den Circus strömte, heiter und wohlgenährt, oft mit Pferd und Wagen, das große Wort führend, Gebäck und Früchte knabbernd, ein Näpfchen hier an einer Bude trinkend, ein Würstchen dort an einem Stand essend, mit den Sesterzen und Denaren in der Hand klimpernd. Nein, nichts zu erwarten von diesen »Armen«. Und er dachte an Thrakien, wo man Bauer und Jäger war, abends müde aber glücklich in das Dorf heimkehrte, mit Freunden um das Feuer saß, ein Stückchen Ziegenfleisch teilte, eine Schale voll geröstetem Korn in Milch aß und mit den Hunden spielte oder die Käuzchen nachäffte und neckte. Jetzt war er ein Stück Vieh, sie hatten ihm den »Eid« abgenommen, seinem Herrn blind zu gehorchen, auch auf Befehl sich »schlagen, brennen, verwunden und töten zu lassen«.
Eines Tages im Jahre 73, nach dem Training, ehe die Waffen wieder eingesammelt und verschlossen wurden, brach Spartakus mit siebzig seiner Kameraden aus, Thraker, Germanen und keltische Gallier. Sie bahnten sich den Weg mit Waffengewalt und versteckten sich bei Einbruch der Dunkelheit an den Hängen des Vesuvs. Wie vorauszusehen, war niemand da, der sie hätte verfolgen können. Siebzig Gladiatoren, die Elite der Fechter — dafür, so schätzte der Kasernenkommandant, wären ein- bis zweihundert Soldaten nötig gewesen. Wir werden später sehen, daß der Herr sich irrte: in der letzten Schlacht besiegte, wie die alten Quellen berichten, Spartakus allein einhundert. Gelernt ist gelernt.
Die Kunde vom Ausbruch der Gladiatoren verbreitete sich in Windeseile. Rom war zunächst nicht erschrocken, nur empört. Feine Zustände, fluchte das Volk. Und wie diese Siebzig hausten! Erpreßten Nahrung bei den Bauern, räuberten in den Vorräten, fraßen die Obstgärten kahl und vergriffen sich sogar an den jungen Kirschplantagen, dem Augapfel des Exkonsuls Lucullus, der mit so vieler Mühe die ersten Bäumchen aus Asia importiert hatte.
Die Siebzig am Vesuv bekamen schon in den nächsten Tagen Verstärkung. Immer neue Grüppchen von Sklaven kletterten des Nachts den Berg hinauf, mit Waffen, Kleidung, Lebensmitteln, mit allem, was sie aus den Häusern ihrer Herren mitgehen lassen konnten. Die Schar der Morituri — jetzt waren sie endgültig mori-turi — wuchs. Die erste Polizeitruppe, die man gegen sie ausschickte, wurde mühelos geschlagen, solche Versuche waren ja Kinderspiele gegen die Kämpfe in der Arena. Sorge machten nur die Verpflegung, die Bewaffnung und die Frage, wie es weitergehen sollte. Sie zählten jetzt schon fast ein halbes Tausend.
Man wählte einen Führer: Spartakus. Anscheinend mit großer Einmütigkeit, was nicht selbstverständlich ist, denn noch zwei andere hatten den Ausbruch mitorganisiert und großen Einfluß besessen, vielleicht als siegreiche Kämpfer, vielleicht auch durch ihre Persönlichkeit: die beiden Kelten Crixus und Oenomaus. Daß wir ihre Namen kennen, zeigt schon ihre Bedeutung. Den Namen Crixus müssen Sie sich merken. Dieser Mann verkörperte das Verhängnis.
Die überragende Figur ist von Anfang an Spartakus gewesen. Theodor Mommsen hat die Vermutung ausgesprochen, daß der Thraker von vornehmster Herkunft war; es hat in
Weitere Kostenlose Bücher