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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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seiner Militärmacht alles durchsetzen konnte. Er schlug vor — man kann selbstverständlich auch sagen: er ließ sich — auf unbefristete Zeit zum Diktator berufen.
    Man tat es. Auf unbestimmte Zeit? Ein glatter Verfassungsbruch, meine Herren Senatoren, soweit Cinna Sie am Leben gelassen hat!
    So übel aber wirkte er sich nicht aus, wie wir gleich einmal, ohne in Details zu gehen, sehen wollen.

    *

    Sulla gab dem Senat, der ja keineswegs etwa nur aus Patriziern bestand, sondern voll von Plebejern war, die Regierungsgewalt zurück. Um mehr Meinungen und Stimmen zur Geltung zu bringen, erhöhte er die Zahl der Sitze von dreihundert auf sechshundert. Die Befugnisse der Volkstribunen reduzierte er auf das, um dessentwillen sie einst erfunden worden waren: sie sollten Anwalt derer sein, denen Unrecht geschehen war, sie sollten den machtlosen, ämterlosen, vielleicht gegenüber einem Gericht hilflosen einzelnen aus der Plebs vertreten. Sie sollten auch wie einst in Fällen von Unrecht und Willkür ihr Veto aussprechen, und sie sollten die Wünsche und Vorschläge der Gesamtheit der Plebs an die Regierung herantragen.
    Alle diese Dinge waren ja längst von einer Woge von gewaltsamen Machteroberungen überschwemmt gewesen. Die Volkstribunen hatten sich an das Räderwerk des Staates gestellt, ohne jedoch die Regierungsverantwortung zu übernehmen. Sie hatten von ewig neuen Erpressungen, Forderungen, Machtproben gelebt und bei der Masse mit Appellen an die niedrigsten Instinkte gearbeitet. Diese Entwicklung war um so heftiger und rasanter geworden, als die »Gegenseite« sich erklärlicherweise versteifte. Auch Fehlschläge erwiesen sich als Dynamit — so, wie ein Gewerkschaftsführer der zwanziger Jahre einmal sagte: »Jeder gescheiterte Streik entfacht Wut und ist in Wahrheit ein Sieg«. Sulla empfand es als undenkbar, daß zehn »Rechtsanwälte beim Bundesverfassungsgericht« (nennen wir die Tribunen mal so) dem Bundesverfassungsgericht befehlen konnten, wie das Urteil zu lauten habe. Genau darauf lief es aber hinaus. Sulla nahm auch den Equites, den Unternehmern und Nouveaux riches, die hohe Gerichtsbarkeit, die Gracchus ihnen, um sie zu ködern, gegeben hatte. Der Senat erhielt sie zurück. Wenn einige Geschichtslehrer daran den Kommentar knüpfen, daß damit den vielen ungetreuen Statthaltern der Provinzen vor Gericht von »ihresgleichen« Straffreiheit so gut wie sicher gewesen sei, so ist das sehr farbenblind. Erstens unterschiebt es den Lesern immer wieder die Meinung, der Senat und damit der Gerichtshof sei ein Adelsklüngel gewesen; zweitens unterstellt es, die Prae-toren der Provinzen hätten sich ebenfalls aus lauter Peers rekrutiert. Drittens setzt es als selbstverständlich voraus, daß gehobene Stände ungerecht, niedrige dagegen immer gerecht seien; und viertens waren die großen Übel, die Blutsauger der Provinzen, gar nicht die Statthalter, sondern die Steuerpächter, und ausgerechnet die kamen aus dem Equites-Stand, dem Gracchus die Gerichtsbarkeit zugeschustert hatte.
    Es ist ermüdend — ich weiß — die Rechnungen unserer pädagogischen Oberkellner dauernd nachprüfen zu müssen, aber es ist notwendig. Sie kennen doch die Geschichte jenes Obers, der auf jede Rechnung zum Schluß den Posten »Geht’s« setzte, bis ein Gast ihn fragte: »Was ist das hier zu vier Mark fünfzig: Geht’s«?, worauf der Kellner resigniert antwortete: »Also geht’s nicht.«
    Nein, es geht nicht.
    Vollkommen richtig hat Sulla den Volkstribunen auch einen Strich durch die Rechnung gemacht, über das gefürchtete Sprungbrett eines Tribunen in das Konsulat oder die Praetur zu turnen. Diese Männer sollten sich entscheiden: Jesus oder Pilatus.
    Für die Veteranen des Krieges stellte er rund hunderttausend Höfe bereit. Er übergab sie ihnen nicht zum Weiterverkloppen, er bat auch nicht lange, er machte es zur Bedingung ihrer Versorgung. Da er die Landluft überhaupt für gesünder hielt als die Luft der Halbmillionenstadt, beförderte er auch das lichtscheue, in den Wirren zugewanderte Gesindel an die frische Luft, denn er war nicht der Meinung, jeder könne sich bei jedem einnisten.
    Es gab wieder viele Circusspiele und Festlichkeiten. Und es wurde viel gebaut, privat und öffentlich. Rom machte städtebaulich einen großen Schritt nach vorn, neue Quartiere wuchsen hoch, Plätze wurden gepflastert, Staatsgebäude vergrößert, Tempel gestiftet. Immer noch sah Rom natürlich nicht so aus, wie später in der Kaiserzeit,

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