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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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ahnen. Die Konsuln zogen mit der Hauptmacht ins Gebirge, um den Thraker dort festzunageln, während eine Abteilung unter einem Prätor sich inzwischen die Kelten vornahm. Der Prätor fand Crixus am Fuße des Monte Garganus, dicht am Meer, griff ihn sofort an und besiegte ihn. Die Hälfte der Sklaven wurde erschlagen, auch Crixus lag unter dem Berg von Toten.
    Die Überlebenden retteten sich ins Gebirge und suchten Spartakus. Sie fanden ihn leider nicht viel früher, als auch der Prätor schon im Rücken auftauchte.
    Die Zange war zugeschnappt.
    Spartakus nahm die Hiobsbotschaft ruhig auf. Er tat zuerst das Wichtigste, was zu tun war: sich genau über den Stand der römischen Armeen, ihre Stärke, ihre Bewegungen zu informieren. Das sagt sich leicht, zu verwirklichen ist es sehr schwer. Wer je eine Kesselschlacht mitgemacht hat, weiß, daß das Schlimmste von allem das Abgeschnittensein von jeder Nachricht, das totale Im-Dunkeln-Tappen über den Feind ist. Eben dies war die erste große Leistung Spartakus’ vor der Schlacht. Als nächstes erzwang er durch einen Scheinangriff den Zusammenschluß der Prätor-Legionen mit der Ersten Konsulararmee.
    Sobald er dadurch den Rücken frei hatte, stürzte er sich mit aller Wucht und Schnelligkeit auf die Zweite Konsulararmee und schlug sie innerhalb von Stunden. Dann machte er kehrt, riß die zwanzigtausend Mann in die Flanke der im Scheingefecht verhedderten Ersten Armee und vernichtete auch sie.
    Zwei Schlachten, ehe die Sonne gesunken war!
    Die Beute an Kriegsmaterial war ungeheuer. Auch die Legionsadler fielen in seine Hand. Und hätte er Reiterei besessen, so wären nicht einmal die beiden Konsuln entkommen. Wie lange lag die Zeit zurück, als Konsuln noch auf dem Schlachtfeld fielen! Da galoppierten sie hin! Ohne Adler, ohne Schild, ohne Schwert, nur mit der Kriegskasse bewaffnet. Es war die größte römische Katastrophe seit Cannae und Arausio.
    Dreihundert römische Gefangene ließ Spartakus hinrichten. Daß sie sich gegenseitig als »Gladiatoren« töten mußten, ist sicher ein Greuelmärchen der Römer. Gewiß war Spartakus ein harter Mann, der bei seiner Revolution das Schild »Bitte nicht den Rasen betreten« nicht achtete. Aber er war nicht grausam. Noch nach seinem Ende fanden sich in seinem Lager dreitausend römische Gefangene unverletzt.
    Die Völker des Mittelmeeres hielten den Atem an. Der Name Spartakus schoß wie ein Komet in den Himmel. Der Sklave schickte sich an, die Nemesis zu werden. Der Koloß Rom, der verhaßte Tyrann der Welt, wankte! Der Weg zum Tiber war frei! Spartakus beschritt ihn nicht. Er ließ Rom, das bibbernde Rom liegen und ging nordwärts. Alles deutete darauf hin, daß er jetzt Italien verlassen wollte. In Gedanken sah er in seinem Gefolge eine Million marschierender Sklaven. In diesen Tagen würden sie aufbrechen! Er hatte ihnen das Signal gegeben. Rom war ohnmächtig.
    In der Po-Ebene, bei Mutina (Modena) stellten sich ihm noch einmal Römer entgegen, die Grenzgarnison, eine Legion verängstigter Rekruten. Er schlug sie.

    *

    Hier, in seinem Feldlager bei Modena, in einer nächtlichen Stunde, in der Spartakus sein Leben noch einmal an sich vorüberziehen ließ, stand das Abendland am Scheideweg. Der thrakische Sklave, der in diesem Augenblick unser Los in der Hand hielt, faßte einen Entschluß, der zum Schicksal Europas wurde, zum Schicksal für ihn, für Rom und nach zweitausend Jahren noch für uns Nachkommen; einen unbegreiflichen Entschluß: umzukehren.
    Bis auf den heutigen Tag rätseln die Historiker daran herum, was oder wer ihn zu diesem verhängnisvollen Schritt angesichts des Tores zur Freiheit bewogen hat. Eine Nacht, eine Stunde, eine Sekunde, die alles entschied; die einen Strich durch alles Errungene machte, durch alle Siege, alle Hoffnungen, alle Träume.
    Ältere Historiker vermuten, daß ihn die vielen einheimischen Hirten und Landarbeiter, die sich zu ihm geschlagen hatten, nicht ziehen lassen wollten.
    Aber warum gingen die Gallier, Germanen, Thraker nicht? Der sowjetische Historiker Uttschenko glaubt, daß die Schwierigkeit der Alpenüberquerung schreckte. Aber der Weg nach Thrakien führt über Triest und der nach Gallien über Nizza.
    Francis Ridley, der Engländer, sieht in der Entscheidung kein Geheimnis; er ist überzeugt, daß Spartakus in Italien bleiben und einen »sozialistischen Sonnenstaat, eine Art Heliopolis wie Moskau« gründen wollte. Ich glaube, daß sein Beweggrund von viel größerem

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