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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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    — ein frommer, aber nicht ungewöhnlicher Anfang für einen Herrn aus halb patrizischem (stark angeplebstem) Hause. Zur Zeit bedeutete er noch eine Null. Allerdings war seine körperliche Verfassung auch nicht die beste, und wer weiß, was aus ihm überhaupt noch einmal werden würde. Er hieß Gaius Julius aus der Linie Caesar: der letzte seines Geschlechts. Seine Verwandten Lucius Julius Caesar und Gaius Julius Caesar Strabo, der Dichter, waren von Marius umgebracht worden, ungeachtet der Tatsache, daß seine Tante Julia die Frau eben dieses Marius war. Jene Jahre hatten um ihn herum gehörig aufgeräumt. 87 fielen Lucius und Strabo dem Mörder zum Opfer, 85 starb sein Vater, im gleichen Jahr endete Marius, sein »Onkel«, und 84 wurde Cinna erschlagen. Sie werden fragen, was dieser fürchterliche Cinna mit Gaius Julius Caesar zu tun hat. Eine nicht nur naheliegende, sondern auch ziemlich delikate Frage. Durch Tante Julia war Gaius Julius in den Kreis von Marius und Cinna geraten, die den unreifen Burschen — ja, nennen wir’s mal so — brennend interessierten. Wir werden später sehen, in welchem Punkte. Er war so stark interessiert, daß er nichts dabei fand, Cinnas Tochter in einem Moment zu heiraten (84), als sich Cinna bereits als der halbverrückte Terrorist entpuppt hatte. Gaius Julius war damals sechzehn Jahre alt gewesen.
    Eine beachtliche Ausgangsposition für einen späteren Caesar, nicht wahr? Er würde Ihnen geantwortet haben: durchaus nicht; und ich antworte Ihnen dasselbe. Dazu wird noch manches zu sagen sein, was bisher keine Generation so gut nachfühlen konnte wie unsere Gegenwart.
    Die Verhältnisse in Rom — und Rom bedeutete das Reich — waren vor dem Jahre 70 so, wie sie nach all den Ereignissen nicht anders sein konnten, nämlich wirr und vergiftet. Der Mithridatische Krieg, immer noch nicht abgeschlossen, dann der Spanienfeldzug gegen Sertorius (»König«), der Sklavenkrieg, die Aufstände an allen Ecken und Enden des Imperiums, die absolute Beherrschung des Mittelmeeres durch die Seeräuber, die Verknappung der Importe, die ständige Verteuerung, der hemmungslose Wucher der Equites vor allem der Steuerpächter, die Machenschaften des Abenteurers Catilina (auch für ihn interessierte Julius Caesar sich eine Zeitlang sehr), die Monsterprozesse des damaligen Konsuls Cicero gegen den Blutsauger Verres von Sizilien, die verschlafene Unfähigkeit des Senats, das resignierte Sichzurückziehen der Patrizier, von denen man kaum noch etwas hört, die Auferstehung der Volkstribunen, die neue Überflutung durch Proletarier, die Verarmung der Provinzbauern — was soll man da erwarten? Die Ordnung, die Verantwortung, die Rechtssicherheit der Sullanischen Verfassung waren längst dahin; die Bevorzugung der Optimaten aber lebte noch, obwohl sie nichts mehr leisteten, und brachte die ganze, einst sinnvolle und rettende Verfassung als reaktionär in Mißkredit. Die Plebs hatte recht. Sie hatte recht, auch wenn sie gewiß nicht imstande war, es besser zu machen. Sulla hatte es schon ausgesprochen: der Volkskörper war bereits krank.
    Was ich klarstellen möchte (wobei ich zum ersten- und letztenmal die Ausdrücke »rechts« und »links« benutze), ist: Was »rechts« war, hatte in den Augen des einfachen Mannes abgewirtschaftet. Noch schlimmer bei den Proletariern: »Rechts« war des Teufels.
    Es ist eine Eigentümlichkeit der »Linken«, ihre Ideen stets streng von Personen und deren Unzulänglichkeiten zu trennen. Auch die katholische Kirche als Ideologie verwahrt sich ja energisch gegen ihre Verantwortlichkeit für eine Gestalt wie Alexander VI. oder Torquemada. »Rechts« dagegen ist nicht im Besitz dieser Annehmlichkeit. »Rechts« wird angeblich immer »verkörpert durch...«. Nun ist das tatsächlich nicht so gänzlich falsch. »Rechts« hat nicht ein so evidentes »Programm« wie »links«. Was hätte Sulla schon groß verkünden können? Rechtssicherheit, Ordnungsprinzip, Qualität vor Quantität, Erfahrung vor Jugend, Schamhaftigkeit vor Zügellosigkeit, Leistung vor Anspruch
    — das sind alles keine zündenden Blitze; das muß tatsächlich »verkörpert« werden. Und wenn jemand kommt, es verkörpert und durchsetzt — was hat er dann schon geböten? — dann ist es sofort weiter nichts mehr als die famose, sichere Basis für einen »Fortschritt«, der nun unbedingt in die Wege geleitet werden muß, weil ein Zustand ohne Veränderung »unweigerlich« ein Rückschritt ist.

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