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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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halber Genosse, ein Mann, der kein Klassenbewußtsein besaß. Die Frage, wie Crixus sich das Morgen und Übermorgen vorstellte, ist müßig; der Pöbel lebt im Augenblick.
    Aus dem, was Crixus tat, und dem, wie Spartakus reagierte, können wir auch ohne antike Quellen heute noch deutlich ihre Gedanken erkennen. Spartakus’ Ziel, als sie noch zu siebzig waren, wird die Heimkehr, die Flucht nach Thrakien gewesen sein. Seit seine Revolte eine Revolution, eine Bewegung geworden war und ihm eine Riesenlast auf die Schultern gelegt hatte, sah er die Welt mit anderen Augen. Er konnte nicht mehr fliehen, er war eine Verheißung geworden. Das große Schwungrad des Schicksals war in Gang gekommen, er mußte es mit Siegen, mit beständigen Siegen füttern, bis es raste und bis Rom ihm nicht mehr in die Speichen fallen konnte. Seine Armee mußte über Italien rollen, hin und zurück, kreuz und quer. Alles, was Ketten trug, mußte aufstehen, alle Sklaven ihre Herren verlassen und des Weges gehen. Es mußten unendliche Scharen sein, er wußte nicht, wieviele. Aber wir heute wissen es: eine Million. Dem Koloß Rom mußten diese Million Hände abgeschlagen werden, und der Tyrann der Welt würde wieder zurückfallen zu dem, was er vor den Samnitenkriegen gewesen war. Siege waren nötig, Siege als Fanal für die Sklaven, aufzustehen, und zwar gefahrlos aufzustehen. Denn in der Sklaverei verkümmert leicht der Mut.
    Deshalb war das Schauspiel, das Crixus bot, so erschreckend. Spartakus brauchte Verbündete, nicht Tote. Er brauchte Felder und Ernten, nicht Wüsten. Er brauchte Städte und Volksstämme, die sich sicher fühlen konnten, sobald sie von Rom abfielen. Er wollte nicht, daß »Spartakus« so viel wie »Tod« bedeutete, nicht einmal für seine ehemaligen Peiniger. Er brauchte ihre Sorglosigkeit so lange wie möglich.
    Im Vergleich zu Spartakus war Crixus ein Nichts für die Menschheit, weniger als ein aufsässiger Diener, der sich damit begnügt, seinem Herrn eines Nachts die Kehle durchzuschneiden. Mit seinem wertlosen Herzen und engen Gehirn hätte er auch als Sohn eines Sklavenhändlers und Millionärs so, wie er war, bleiben können. Im Pöbel und in Gerhart Hauptmanns Herrn Dreißiger trifft sich, von der einen und von der anderen Seite kommend, der Circulus menschlicher Gestalten im Nullpunkt.

    *

    Spartakus verbot den Besitz von Gold und Silber, er untersagte jeden Komfort im Lager, jagte die Truppe bei Regen und Schnee hinaus und exerzierte von morgens bis abends. Er richtete Schmieden ein, in denen Speerspitzen, Pfeile, Schwerter und Schilde hausgemacht hergestellt wurden, und ließ eine Schar junger Sklaven reiten lernen. Er zog Offiziere heran und zeigte ihnen auf der Schreibtafel die Taktiken der Römer. Er pflanzte in ihre verwundeten Herzen das Gefühl, den Weg der Illegalität hinter sich gelassen zu haben, ein Heer geworden zu sein und im Kriege zu stehen. Eine Fremdenlegion war in Italien eingebrochen, der Feind stand im Land wie einst Pyrrhos oder Hannibal. Spartakus verkündete das Jus belli, das Kriegsrecht.
    Crixus betrachtete das alles mit Widerwillen. Auch der Neid wird eine Rolle gespielt haben. Als Spartakus im März 72 den Abbruch des Lagers befahl, sonderte sich Crixus mit seinen Kelten ab und machte sich selbständig. Es werden etwa Zehntausend gewesen sein, ein Drittel der Gesamtheit. Crixus hatte nicht einmal die Absicht, mit dem Thraker in Tuchfühlung zu bleiben, es war ein offener Bruch. Spartakus ging in die Berge, Crixus in die Ebene. Spartakus blieb diesseits des Apennin, er ging jenseits. Er wollte die Küste plündern. Der Verdacht, er habe über die Adria nach Illyrien verschwinden wollen, ist bei seinem Charakter und seiner Hirnlosigkeit sicher unbegründet.
    In Rom herrschte Alarmstimmung. Man hatte die Wintermonate dazu genutzt, aus dem Fundus der Garnisonen und der Städte ein weiteres Heer zusammenzubringen. Der unerhörte Schritt, beide Konsuln als Oberbefehlshaber an die Front zu schicken, zeigt, wie ernst man die Lage sah. Sechs Legionen, vierzigtausend Schwerbewaffnete und Reiter stampften, daß die Erde dröhnte, heran. Man wußte, wo Spartakus stand. Daß Crixus sich von ihm getrennt hatte, war eine freudige Überraschung.
    Bitte, verlieren Sie, meine verehrten Leser, jetzt nicht die Geduld, wenn ich Ihnen von der Apenninschlacht etwas sorgfältiger berichte. Wenigstens einmal müssen Sie genug zu sehen bekommen, um die Feldherrnbegabung des ehemaligen Sklaven Spartakus zu

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