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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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»kühnen« Zügen sprechen kann, dann hier. Antonius muß ein sehr unerschrockener Mann gewesen sein, sich in ihre Arme zu kuscheln. Ich persönlich zum Beispiel leide nicht unter Albdrücken, aber ich fordere es auch nicht heraus.
    Das Gesicht der ältlich gewordenen Kleopatra strahlt nicht einen Hauch von Wärme aus (wobei wir allerdings ihre Augen nicht beurteilen können), nicht einen Hauch von — bedienen wir uns einmal des dumm klingenden Wortes — »Verheißung«; jede Linie zeigt herrische Ich-Bezogenheit, die sich an kein zweites Wesen verliert. Wenn sie wirklich so sinnlich war, wie man erzählt, so muß es eine physische Seite gewesen sein, an der ihre psychische keinen Anteil hatte. Überdies kann man Leidenschaft heucheln. Vielleicht waren es die nicht nur rauschenden, sondern auch berauschenden Feste mit Alkohol und orientalischen Drogen, die ihren störenden harten Intellekt ausschalteten, wobei sie dann zu einem willenlosen Objekt geworden sein kann.
    Am ehesten ist Caesar zu verstehen. Zu seiner Zeit war Kleopatra zwanzig, Jugend umstrahlte sie noch; ihr Geist war noch frühreif, abenteuerlich, schulmädchenhaft, verschroben, mit einem Wort: für Caesar eine Fundgrube des Amüsements, eine Quelle der Heiterkeit angesichts der Vorstellung, eine »Königin«, ein kleines Aas, ein totgefährliches, ein bißchen verrücktes Gewächs vor sich zu haben, das machtlos in seinen Händen zappelte. Was er da pflückte, hat sicher Reiz gehabt.
    Inzwischen war sie fast vierzig Jahre alt geworden, ihr Körper ganz gewiß nicht mehr unverändert, sie hatte mehrmals geboren. Ihre Wangen nicht mehr voll. Ihre Nase häkelte gewaltig in die Welt. Ihre Lippen waren nicht mehr zwei spielende Fohlen, sondern ein Gespann in den Sielen ihrer harten Gedanken.
    Als sie Octavian entgegentrat, irrte sie sich vor allem in einem Punkte: Um ihre stärkste Waffe, damals wahrscheinlich sogar die einzige Waffe, nämlich ihren faszinierenden Verstand und Esprit auszuspielen, hätte sie Zeit haben müssen. Sie war in demselben Irrtum befangen, in dem auch so viele Deutsche 1945 waren, wenn sie beim Einmarsch der Russen oder Amerikaner hofften: »Dann erkläre ich und beweise ich denen, daß ich...« Sie kamen gar nicht dazu; ehe sie den Mund aufgemacht hatten, saßen sie schon im Jeep. So ist das bei Siegers.
    Auch ehe Kleopatra den Mund aufmachen konnte, war die Audienz schon beendet. Von Charme und Geist hatte Octavian nichts bemerkt.
    Er hatte sich gerade so viel Zeit genommen, ihr zu sagen, daß er sie nach Rom bringen und in seinem Triumphzug mitlaufen lassen würde — möglicherweise eine Lüge, um sie zum Selbstmord zu treiben. Denn es ist eigentlich nicht zu glauben, daß er die einstige Geliebte des Caesar so tief hätte sinken lassen dürfen. Die Lüge saß.
    Kleopatra ließ sich in das Zimmer, in dem sie eingeschlossen wurde, in einem Obstkörbchen eine Giftschlange schmuggeln und sich von ihrem Biß töten. (Diese Version ist gelegentlich bestritten worden; aber alles, auch die Tradition spricht dafür, denn nach dem ägyptischen Glauben verwandelte sich Kleopatra durch den Biß der Heiligen Schlange im Tode schnurstracks in eine Göttin.)
    Diese Metamorphose enthob Octavian vieler Mühen. Mit bekannter Präzision entledigte er sich dann gleich der noch anfallenden kleineren Aufgaben: Den Fulviasohn -des Antonius, der vor ihm auf den Knien um sein Leben flehte, ließ er erstechen; den »König der Könige« Caesarion auf der Flucht erschlagen. Die drei Bastarde der Kleopatra mit Antonius jedoch ließ er als schmutzige Wäsche seines Feindes und ewiges Menetekel am Leben und schenkte ihnen eine Pension, auf daß es ihnen wohlergehe und sie lange sichtbar blieben auf Erden.
    Ägypten, nun nominell »Provinz«, wurde in Wahrheit das, wofür Antonius hatte sterben müssen: private Domäne Octavians. Nachdem er so den Osten auf das Glücklichste geordnet hatte, kehrte er, gestohlenes Geld, Gold, Silber, Edelsteine und Geschenke um sich werfend, nach Rom zurück. Er brachte »Eintracht, Ruhe und Frieden« heim. Am 11. Januar 29 erlebten die Römer das denkwürdige Ereignis, daß der Senat zum erstenmal seit zweihundert Jahren das sogenannte Kriegstor des Janus feierlich schließen ließ.
    Octavian war jetzt dreiunddreißig Jahre alt. Das Reich lag ihm zu Füßen. Er stand — mit seinen drei wollenen Leibchen — da und lächelte herzlich wie immer mit seinen schadhaften Zähnen, als wollte er sagen:
    Na, war es nun so schwer

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