Cäsar
Konsuln sind geflohen, die meisten Senatoren auch; ich will neue Konsuln und Magistrate wählen lassen, dafür brauche ich hochrangige Leute.«
»Ist das denn statthaft?«
Caesar machte eine Handbewegung, als ob er etwas fortwürfe. »Statthaft, statthaft… Rom braucht Konsuln, und sei es nur, damit ich den Anschein wahren kann. Besser, daß sich gewählte Konsuln um die Dinge kümmern als bloß Männer, die ich beauftrage.«
»Ich wage nicht zu widersprechen, aber…«
»Widersprich ruhig. Welch ein aber hast du auf der Zunge?«
»Kann denn die Wahl zu einem hohen Amt von jemandem niedrigeren Amtes geleitet werden?«
Caesar nickte. »Eigentlich nicht. Es sind aber keine Konsuln da. Und wenn sie da wären, brauchten keine anderen gewählt zu werden. Wenn ich keine wählen lasse, sind die zu Pompeius geflohenen Konsuln oberste Magistrate und ich habe in Rom nichts zu sagen. Ein Prätor wird die Wahl leiten. Sulla hat durch einen auf fünf Tage bestimmten Interrex einen Diktator und einen Reiterobersten ernennen lassen. Es gibt für alles Vorbilder.«
»Darf ich fragen, was du tun wirst, wenn er nicht nach Rom kommt?«
Caesar kniff die Augen zusammen und blickte nach vorn. Die ersten Häuser von Formiae waren schon zu sehen; die Reiter der Vorhut bogen von der Straße ab auf einen Weg, der zu den Küstenhügeln führte.
»Ich mag ihn nicht zwingen. Ein gezwungener Cicero, wenn er sich denn zwingen ließe, wäre so schlecht wie gar keiner. Ich weiß ja, was er von mir hält.«
»Woher?«
»Die meisten seiner Briefe werden abgefangen, abgeschrieben und dann neu versiegelt.« Er lachte kurz. »Mir schreibt er von Achtung und Freundschaft und derlei, in Briefen an andere nennt er mich den Schändlichsten und Niederträchtigsten von allen.«
Aurelius schnalzte. »Reden nicht alle Politiker so übereinander?«
Caesar ordnete eine einstündige Rast an; danach sollten die Männer weitermarschieren, bis auf die Leibwache. Er werde folgen, sobald »das hier« erledigt sei.
Aurelius bezweifelte, daß der edle Marcus Tullius Cicero je einen Fuß auf die schlechten Wege gesetzt hatte, die zu seinem Landhaus führten; wahrscheinlich ließ er sich in einer Sänfte befördern, daß nicht des wirklichen Bodens Grobheit seine Seele verletze.
Er und seine Leute schienen auch nicht mit einer derart großen Besucherschar gerechnet zu haben. Aurelius verkniff sich die Frage, ob sie angenommen hatten, Caesar werde in solchen Zeiten getrost allein reisen.
Ein Verwalter oder Obersklave oder Hauptdiener, dessen Hände sichtlich zitterten, führte sie durch den marmorverkleideten Portikus, wo vor Steinbänken Schüsseln standen, aus denen der Dampf warmen Wassers in die kühle Märzluft stieg.
»Wenn die edlen Herren…«
Caesar unterbrach. »Die Herren sind gerührt und danken, aber sie sind geritten und daher keiner Fußwaschung bedürftig. Bring uns zu deinem Herrn.«
Cicero erwartete sie im großen Empfangsraum jenseits des mit Statuen und Zierpflanzen geschmückten Atriums. Er begrüßte Caesar herzlich mit »lieber Freund« und »edler Imperator«. Für Aurelius hatte er ein Nicken und leicht gehobene Brauen, von den übrigen - ein Schreiber und drei Militärtribunen - begrüßte er Quintus Pilius Celer mit Namen. Der Offizier war um die dreißig und gehörte zu den »vornehmen Lümmeln«, wie Caesar einmal gesagt hatte: junge Leute aus guten Kreisen, die ein bißchen Krieg sehen, ein bißchen Beute machen, wenig tun und schnell reich und wichtig werden wollten. Celer hatte sich allerdings in Gallien bewährt. Und er war der Schwager des Pomponius Atticus, Ciceros Freund, Berater und Buchvertreiber.
»Deine Männer, Imperator?« sagte er mit einer Gebärde, die das halbe Haus und zwei Drittel des Erdkreises einzuschließen schien.
»Die Legion lagert und zieht dann weiter. Auf deinem Grund sind nur die Männer der prätorianischen Kohorte.«
»Kohorte. Ah.« Cicero wandte sich an den Obersklaven.
»Sieh zu, daß Caesars Männer zu essen und zu trinken bekommen. Und wir wollen bald speisen. Ist alles bereit?«
»Sofort, Herr.«
»Gut. Setzen wir uns solange.« Er wies auf Polsterbänke, die ein Viereck zwischen Statuen bildeten. Cicero selbst hatte offenbar nicht die Absicht, sich zu setzen; er stand mit dem Rücken zu einem mit Rollen überfüllten Regal, neben einem Tisch, auf dem eine Büste des Redners und Politikers Demosthenes stand. Aurelius erwartete beinahe, daß Cicero dem unsterblichen Kollegen
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