Cäsar
war ihm nicht wohl. Mit dem Geld, das er bei sich trug, konnte ein gewöhnlicher Römer ohne große Ansprüche fast sieben Jahre leben oder zumindest überleben. Wenn ihn niemand daran hinderte, indem er einen Krieg oder eine Geldentwertung betrieb. Einer wie Caesar oder Pompeius, die Gemeinschaft der Steuerpächter oder, warum nicht, Cicero, dessen Selbstgefälligkeit zweifellos ausreichte, um zu ihrer Erhaltung größere Menschenmengen zu opfern.
Und Tiro? Ein freundlicher Mann, allseits beliebt, mit Marcus Tullius zusammen aufgezogen, wiewohl als Sklave, später Freund und Mitarbeiter, nun Freigelassener; Tiro, Erfinder einer Schnellschrift, die außer ihm keiner lesen konnte, und - sagte man - Bearbeiter der Reden seines Herrn. Liebenswürdig, aber natürlich auf das Wohl Ciceros bedacht, von dem sein eigenes abhing, und im Zweifelsfall hart und ohne Bedenken. Er würde, da Cicero Aurelius nach Gallien schickte, sicher keine Totschläger hinterherschicken, um das Geld wieder in seine Hände zu bekommen; aber vielleicht Aufpasser, die berichten sollten, wohin Aurelius ging.
Daher begab er sich zu einem kleinen Tempel, dem des Merkur. Es war ein Umweg, aber der Götterbote und Herr der Diebe erschien ihm als bestens geeignet, ein paar Tage die nicht unbeträchtliche Summe zu hüten. Er gab dem Priester einen Denar; dafür schloß dieser die beiden Beutel in die Schatzkammer des Tempels. Vor Dieben und Mördern war das Geld dort sicher, nicht jedoch vor Konsuln oder Senatoren, die einen Frevel mit dem Gemeinwohl begründen mochten. Damit rechnete Aurelius aber für die nächsten paar Tage nicht.
In einer Schänke zwischen Forum und Subura trank er einen Becher verdünnten Würzweins. Zwar war es in der überfüllten, wimmelnden Stadt nicht so kalt wie in den Bergen hinter Tusculum, aber auch in Rom tat an einem trüben Wintertag ein warmer Trank gut.
»Gibt es hier alte Krieger?« sagte er, als er dem Wirt ein paar Kupfermünzen hinschob.
Der Mann grunzte. »Wo gibt es die denn nicht? Wie viele suchst du? Willst du einen Krieg anfangen?«
»Ich muß morgen etwas für einen Freund erledigen. Und es könnte sein, daß einige Unfreunde mich daran hindern möchten.«
Der Wirt nickte. »Soll vorkommen.« Mit dem Daumen wies er hinter sich. »Wenn du an der Rückseite bist, geh geradeaus zwischen die Häuser. Der Weg torkelt ein bißchen, aber geh ungefähr geradeaus. Nach der dritten Gasse links frag nach Spurius.«
»Alter Soldat?«
»War mit dem Iulier in Gallien. Verwundet, hat seine Beute versoffen, ist aber tagsüber nüchtern. Frag den.«
Aurelius hinkte durch Lehm, Abfälle und Kot. Wahrscheinlich war die Gasse einmal gepflastert gewesen, aber entweder hatten die Bewohner des Stadtteils die Steine zum Bau von Unterkünften verwendet, oder die Pflastersteine waren längst unter Dreckschichten verschwunden. Immer wieder wurde er angerempelt oder mußte Sturzbächen ausweichen, wenn jemand in den oberen Stockwerken eines Hauses Nachtkübel aus der Fensteröffnung leerte. Tagelöhner lebten hier, die morgens aufs Forum oder zu einem der tausend kleinen Plätze gingen, in der Hoffnung, für ein paar Asse Lasten tragen oder Abfälle beseitigen zu können. Ausgemergelte Frauen kamen mit Wäsche vom Tiberufer zurück, und das von einem Fluch begleitete Grinsen eines zahnlosen Greises war überschäumende Heiterkeit. Aber es gab auch Kinder, die Nachlaufen spielten oder einander mit Bällen zu treffen suchten.
Aurelius fand den Versehrten Krieger vor dem Haus hinter der dritten Quergasse. Spurius fehlten der linke Unterarm und das linke Ohr; er hockte über dem Dreck der Straße, auf der obersten Stufe vor dem Eingang des Hauses, und starrte die Wand gegenüber an. Vielleicht starrte er auch in die Vergangenheit, falls diese sich in den Flecken des schadhaften Bewurfs aufhielt.
»Willst du morgen einen Sesterz verdienen, Soldat?« sagte Aurelius statt einer Begrüßung.
Spurius kniff die Augen zusammen. »Ich kenne dich«, knurrte er. »Ich habe dich gesehen. Aber wo?«
»Bei welcher Legion warst du?«
Spurius spuckte aus. »Bei der Siebten. Du?«
»Bei der Zehnten.«
»Ah. Caesars Lieblinge.« Spurius schnitt eine Grimasse.
»Hat er eigentlich jeden von euch bestiegen?«
Aurelius lachte. »Mein Hintern ist unversehrt. Und der Kahlkopf zieht Frauen vor.«
»Jetzt weiß ich‘s.« Der Versehrte schlug sich mit der einen verbliebenen Hand aufs Knie. »Woher ich dich kenne. Centurio,
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