Cäsar
dreißigtausend Gefangenen waren dies drei Millionen Sesterze, die Caesar am Jahresende an seine Truppen verteilen konnte. An die Überlebenden.
Die Verbringung der Gefangenen verlief ohne Zwischenfälle. Aurelius hatte sogar genug Muße, um sinnlosen Gedanken nachzuhängen. Gedanken an die Zukunft zum Beispiel, obwohl doch jeder wußte, daß bei dieser Kriegslage die Zukunft jederzeit in der Gegenwart enden konnte, statt sich allmählich in Vergangenheit zu verwandeln.
Oder Gedanken an Kalypso. Unwirkliche Erinnerung. Hatte er sie wirklich in Vienna in ihrem Reisewagen besucht? Im feuchten, eisigen Frühjahr mitten in Gallien wärmten ihn die Gedanken daran ein wenig auf. Bis er sich wieder fragte, was Kalypso so fern von Rom suchte. Was sie in Gallien zu tun hatte. An eine reine Vergnügungsreise konnte er nicht glauben. Wer würde schon gegen Ende des Winters zum Vertagen in ein kaltes Land reisen, in dem ein furchtbarer Krieg tobte?
Vielleicht hatte sie ja beim Aufbruch angenommen, der gallische Aufstand werde schnell zusammenbrechen. Dennoch blieb die Frage, was der Anlaß zur Reise gewesen sein könnte. Und je länger er darüber nachdachte, desto mehr unerfreuliche Gründe fielen ihm ein.
Aber dann kam er nach Agedincum, übergab dem keineswegs begeisterten Pictor die Gefangenen und die Verwundeten, feilschte mit ihm um die Menge Getreide, die er Caesar bringen konnte, und brach am nächsten Morgen wieder auf. Bis die Truppe mit ihren Packtieren das Heer erreichte, kam Aurelius nicht mehr zu müßigen Träumereien. Und am Ziel, bei der Stadt Avaricum, kam ihm der erschöpfende Eilmarsch bald wie ein erholsames Vergnügen vor.
Das Hauptheer war inzwischen ins Land der Bituriger gezogen. Sobald Vercingetorix dies erfuhr, zog er Caesar entgegen. Damit war der erste Zweck erfüllt: Boier und Häduer waren nicht mehr unmittelbar bedroht. Bei Noviodunum kam es zu einem Gefecht, das Caesars germanische Reiter gegen die berittenen Gallier entschieden; die Stadt mußte Waffen ausliefern, Nahrungsmittel und Geiseln stellen - keine Zeit und keine Leute für weitere Besetzungen oder Gefangenenzüge ins ferne Agedincum.
Weiter zur größten Stadt der Bituriger, Avaricum. Caesar hoffte, das ganze Volk zum Niederlegen der Waffen zu bringen, sobald er die Hauptstadt eingenommen hätte. Aber man wußte, daß es nicht einfach werden würde; Avaricum war gut befestigt und lag günstig für eine lange Verteidigung.
Von diesen Vorgängen erfuhr Aurelius erst, als er das Heer erreichte. Die wenigen Gerüchte, die sie unterwegs hörten, wenn sie streifende Gallier aufgriffen, betrafen andere Dinge: den großen Kriegsrat des Vercingetorix und den Beschluß, den Römern nur verbrannte Erde zu überlassen. Daß der Beschluß ausgeführt wurde, konnten Aurelius und seine Leute ebenfalls sehen: wo sie auch hinkamen, überall fanden sie zerstörte Dörfer, niedergebrannte Gehöfte, zu Asche gewordene Speicher.
Vercingetorix wußte, was die Schwäche der Römer war: der Nachschub. Es gelang ihm, die übrigen gallischen Fürsten von seiner Ansicht zu überzeugen. Ohne Nachschub und ohne die Möglichkeit, sich aus dem Land zu ernähren, müßten die Römer aufgeben. Es sei unabdingbar, all jene Städte in Brand zu stecken, die nicht auf Grund ihrer Befestigung oder Lage sicher seien. Harte Beschlüsse, aber offenbar ließen sich fast alle dazu bringen, ihnen zuzustimmen, da Tod oder Sklaverei noch härter seien.
Fast alle, bis auf die Bewohner von Avaricum. Die schönste Stadt Galliens solle nicht geopfert werden, sagten sie, da sie leicht zu verteidigen sei. Starke Befestigungen, ein Fluß, mehrere Bäche und ein Sumpf - es gab nur einen schmalen Zugang zur Stadt.
Vercingetorix, hieß es, habe auch Avaricum aufgeben wollen, dann aber den anderen nachgegeben. Er folgte den Römern in geringem Abstand und lagerte mit dem Heer schließlich an einem durch Wälder und Sümpfe geschützten Ort, sechzehn Meilen von Avaricum entfernt. Er ließ alles genau beobachten, was bei der Stadt geschah; römische Abteilungen, die sich zur Aufklärung oder Futtersuche vom Heer entfernten, wurden angegriffen und aufgerieben.
Das befestigte Lager der Römer befand sich dort, wo der schmale Zugang zur Stadt begann. Vom Lager aus ließ Caesar einen Belagerungsdamm, Laufgänge und zwei Türme errichten; Sümpfe und Flüsse machten es unmöglich, die Stadt mit einem Wall einzuschließen.
Andererseits, sagte sich Aurelius, mußte die Lage
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