Cäsar
Vercingetorix zum Wahnsinn treiben. Mit seinem großen Heer war es ihm nicht gelungen, Caesar am Marsch auf Avaricum zu hindern. Dazu hätte er eine offene Schlacht wagen müssen, und das wollte er offenbar nicht versuchen. Noch nicht. Und so, wie Avaricum lag und die Römer sich verschanzt hatten, konnte er nichts tun außer ohnmächtig zusehen und römische Streifen niedermachen.
Während die Arbeiten ausgeführt wurden, schickte Caesar immer wieder Boten los, von denen allerdings viele abgefangen wurden. Sie sollten die Boier und Häduer dazu bringen, Getreide zu liefern. Die Häduer lieferten, wie vorausgesagt, einfallsreiche Ausreden - das Wetter, die Unsicherheit der Wege, Auseinandersetzungen mit dem Heer des Vercingetorix, Mangel an Packtieren und Karren -, und die Boier hatten selbst kaum genug zum Überleben.
Einige Zeit, bis Aurelius‘ Zug mit Vorräten ankam, gab es im römischen Heer kein Getreide mehr. Die Soldaten mußten sich vom Fleisch der wenigen Schlachttiere, später sogar von den eigenen Pferden und Maultieren ernähren. Caesar selbst erging es nicht besser; er litt jedoch nicht so sehr darunter.
»Der römische Soldat ist ein seltsames Tier«, sagte er, als der Nachschub eingetroffen war und auch im Zelt des Feldherrn Brot und Brei gegessen werden konnten.
»Ich gehöre zu diesen Tieren«, sagte Aurelius. »Aber wie hast du das gemeint?«
»Es gibt Fleisch; nicht viel, aber immerhin. Und es gibt Fische in den Gewässern ringsum. Aber der unbesiegbare römische Krieger ist erst zufrieden, wenn er jeden Tag sein Korn mit der Handmühle mahlen und Fladen backen oder zähflüssigen puls schlürfen kann.«
Marcus Antonius blickte von dem Stück duftender Ochsenlende auf, das er mit beiden Händen hielt. »Mein Leiden hält sich in Grenzen. Ich kann ein paar Tage gut auf puls verzichten.« Er grinste.
Da er nicht weit gehen konnte, fühlte sich Aurelius weitestgehend nutzlos. Er unterhielt sich länger mit Aulus Hirtius, der aber auch nichts für ihn zu tun hatte, hinkte durchs Lager, sah bei den Belagerungsarbeiten zu, ritt mehrmals mit Streiftrupps los, die aufklären und, wenn möglich, Futter sammeln sollten. Er sah Caesars anderem Koch zu, der für die edlen Knaben - weder nur Gäste noch schon Offiziere; nicht alle hatte Caesar in Agedincum lassen können - Pasteten buk und Aufläufe erfand. Hin und wieder verbrachte er ein paar Stunden mit alten Freunden aus der prätorianischen Leibkohorte und der Zehnten Legion. Von ihnen hörte er, daß die Soldaten sich geweigert hätten, die Belagerung abzubrechen, als es kein Getreide mehr gab und Caesar sie fragte, ob sie noch durchhalten könnten. Lieber alle Härten aushalten, hätten die Männer gesagt, als nach Jahren ehrenvollen Diensts in Schande abziehen.
Von Caesar sah er nicht viel. Der Feldherr war dauernd unterwegs, kümmerte sich um Einzelheiten der Belagerungsarbeiten, verhörte Gefangene und Überläufer, sprach mit Soldaten und Centurionen, beriet mit den Legaten; wenn nichts anderes ihn umtrieb, ordnete er Aufzeichnungen oder sammelte seine Schreiber und diktierte Briefe an wichtige Leute in Rom - Briefe, die nicht abgeschickt werden konnten, weil die Gallier die Verbindungen zum Süden unterbrochen hatten.
Auch der »Feldkoch« Aurelius war kaum gefragt. Die höheren Offiziere hatten nahezu ausnahmslos ihre eigenen Diener und Kochsklaven. Caesar selbst ließ sich meistens von einem seiner vertrauten Sklaven besonderen puls bereiten: drei Handvoll Weizen gemahlen, in Wasser gekocht, mit einem Schuß Essig oder, seltener, Wein, und ganz selten ein paar Kräutern. Das Besondere war eine bestimmte Menge Honig, Zimt und Salz; wenn die Mischung nicht stimmte, hieß es, war Caesar mürrisch.
Das Wetter blieb unangenehm. Eigentlich hätte der Frühling beginnen sollen, aber es war immer noch kalt, und in den Regen mischten sich hin und wieder Schneeflocken. An einem späten Nachmittag suchte Aurelius, fröstelnd trotz des wollegefütterten Lederumhangs, in einem kleinen Wald zwischen dem Lager und einem nordwestlichen Vorposten nach Kräutern.
Für den Abend hatte Caesar eine Lagebesprechung mit den Legaten und Tribunen angesetzt und ihn angewiesen, »etwas Eßbares, aber ohne Gehampel« zu machen. Aurelius hatte Fleischbrühe mit noch gerade genießbaren Gemüseresten vorbereitet. Danach sollte es gebratene Fleischstreifen geben, die zwei Tage lang in vergorener Stutenmilch gelegen hatten; dazu eine Tunke aus der Stutenmilch
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