Cäsar
Vercingetorix‘ Krieger warten sollte, die nicht über den Graben kamen.
»Präfekten sollten nicht schleppen«, sagte einer der Männer, die mit ihm Verwundete zu einem Sammelplatz trugen.
»Nur, wenn sie mögen. Und so lange sollten Soldaten ihnen keine Vorschriften machen«, sagte Aurelius, der nach der Zeit des Wartens und Ausschauens froh war, sich bewegen zu können.
Es war, als wäre eine drückende Wolkendecke durch den Sturm der Gallier aufgerissen worden, in ihm. Er bemerkte, daß er atmete, und die Klagelaute der eigenen Verwundeten hatten eine gewisse zwangsläufige Vertrautheit, die bei allem Jammer und aller Gräßlichkeit die Nächte nicht zu erstickenden Kerkern machen würde. Zum ersten Mal seit Tagen konnte er sich nach einem hastigen Mahl daran erinnern, daß er gegessen hatte.
Abends und am nächsten Tag warteten sie auf den nächsten Angriff der Gallier, der kommen mußte - nur wo? Man schloß Wetten ab, auch auf die Höhe der eigenen Verluste, und es war das gewöhnliche Leben im Schatten des Todes.
Er beneidete Caesar nicht darum, für die beiden Wälle die beste Verteilung der Truppen suchen zu müssen: zehn Meilen nach innen, vierzehn nach außen. Genug Männer anweisen, alle möglicherweise gefährdeten Stellen zu schützen. Und genügend Leute zurückbehalten, um sie später schnell verlegen zu können, Breschen zu verteidigen, Löcher zu stopfen.
Im Norden gab es eine Anhöhe, die man wegen ihres großen Umfangs nicht völlig in die Befestigung hatte einschließen können. Dort war das Lager an einer abfallenden und daher ungünstigen Stelle errichtet. Die Legaten Antistius Reginus und Caninius Rebilus hielten sie mit zwei Legionen besetzt. Natürlich mußten die Gegner von umliegenden Höhen diesen Punkt beobachtet, gründlich betrachtet haben. Wie die meisten anderen ging auch Aurelius davon aus, daß die Gallier es dort versuchen würden. Aber deshalb konnte man nicht alle Kämpfer von anderen Wallstrecken abziehen.
Über die folgenden Vorgänge gewannen sie erst im nachhinein eine gewisse Klarheit, durch Verhöre von Gefangenen und durch die Ereignisse selbst. Die Soldaten, auch Caesar und die anderen Offiziere, wußten zunächst nur, daß ein Angriff stattfand, und da er an einer wichtigen Stelle stattfand, nahmen sie an, daß dort ausgesuchte Krieger antraten. Und zwar sehr viele.
Sechzigtausend waren es, Angehörige jener Stämme, die als besonders tapfer galten. Commius und die anderen legten die Vorgehensweise fest und bestimmten den Zeitpunkt für den Angriff, den Mittag am zweiten Tag nach dem gescheiterten Sturm. Die ausgewählten sechzigtausend Männer unterstellten sie dem Arverner Vercassivellaunus.
Nachts rückte er aus und hatte bei Tagesanbruch fast die Marschstrecke bewältigt. Er verbarg sich hinter dem Berg und ließ die Kämpfer ausruhen. Als es Mittag wurde, marschierte er rasch gegen das Lager am Hang der nördlichen Anhöhe. Gleichzeitig rückte die Reiterei gegen die Befestigungen in der Ebene vor, und die übrigen Truppen erschienen vor dem Lager.
Vercingetorix und seine Leute zogen aus der Stadt und nahmen Reisiggeflecht, lange Stangen, Schutzdächer, Sicheln und alles andere mit, was für einen Ausfall vorbereitet war. Überall wurde gleichzeitig gekämpft, und alle versuchten ihr Äußerstes. Wo die römische Stellung am schwächsten zu sein schien, sammelten sich die Gallier. Die Römer waren durch den Umfang der Verschanzungen weit auseinandergezogen und mußten hier und da mit unzureichenden Kräften die Angriffe abwehren. Zudem trug das Kampfgeschrei hinter ihren Rücken viel dazu bei, die Soldaten zu erschrecken, weil sie auf die Tapferkeit der anderen angewiesen waren. ›Auch der Tapferste‹ sagte sich Aurelius, ›hat ein Recht darauf, einen Tod zu fürchten, den er nicht sehen kann.‹ Er hielt sich mit einer Kohorte in der Nähe des Hauptlagers bereit, um notfalls Verluste am vor ihnen liegenden Innenwall auszugleichen und Lücken zu schließen.
Caesar hatte sich an eine Stelle begeben, von der aus er fast alles beobachten konnte; und er hatte an mehreren weiteren Punkten Truppen wie die von Aurelius gesammelt, um sie rasch dorthin schicken zu können, wo sie gebraucht wurden. Beide Seiten wußten, daß dies der Entscheidungskampf war. Die Gallier mußten alle Hoffnung aufgeben, wenn sie die Wälle nicht nehmen konnten. Die Römer durften das Ende aller Anstrengungen erwarten, wenn sie sich behaupteten. Andernfalls den
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