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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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hätte (oder beides), wäre die Glückszeit vielleicht länger gewesen. Oder kürzer, oder sie wäre nicht gewesen oder gescheitert - er hatte kein besonderes Verhältnis zu den Göttern und mißtraute ihnen eher.
    An jenem Abend voller Köstlichkeiten hatten sie vom Olymp aus entweder billigend zugeschaut, oder sie waren mit anderen Angelegenheiten befaßt gewesen. Die höchste Köstlichkeit Kalypso, danach frisches Brot und garum und guter Wein und ein gebratenes Huhn. Unglaubwürdige Schwelgerei nach den Entbehrungen, den Kämpfen und dem Gemetzel.
    Und Worte. Keine Befehle, Meldungen, Schreie, kein Gebrüll. Sprache, sprechen, Gespräch ohne Sprüche; Wörter wie Geschenke, ein Ausschank von Wörtern gegen Wortmünzen - ah nein, kein Handel, sondern Geschenke, Mitteilungen, enthüllt in Wörtern, verhüllt in Wärme, streichelnde kosende kostbare Wörter, kostenlos zu kosten mit der feinen Zunge des Lauschens.
    Sie war von Vienna, als nach tagelangem Warten die schlechten Nachrichten vom gallischen Aufstand kamen, von gesperrten Wegen und abgeschnittenen Legionen, zurück in den Süden gefahren, nach Massilia, um alte Bekannte zu besuchen, später trotz aller Warnungen wieder nach Vienna, um zu warten und schließlich mit den anderen aufzubrechen.
    Und nun, so viele Jahre später, da er in einer Hütte an einem fremden Gestade saß und wie besessen über sich und seine Erlebnisse schrieb wie über die eines Fremden, konnte er sich immer noch an jedes einzelne Wort erinnern. Sie hatten einander verloren, mehrmals wieder gefunden und waren wieder getrennt worden, und jedes Finden war köstlich gewesen, und bei jeder Trennung hatte es ihm Herz und Leber zerrissen, aber keine Erinnerung war so gegenwärtig wie die an den ersten Abend in Gallien und an die folgenden Tage. Tage des Glücks, sorglose Tage mit dem nötigen Gewürz kurzer Trauer. Vielleicht lag es am Gegensatz zum vorhergegangenen Grauen, an der Unwirklichkeit dieser beweglichen elysischen Insel im Meer des Entsetzens. Aber dann sagte er sich, daß es vermutlich viel einfacher war, daß es mit Begreifen und Erfassen zu tun hatte Von Anfang an war es gewesen, als hätten sie einander schon immer gekannt; an jenem Abend begannen sie einander kennenzulernen.
    Wenn er die Augen schloß, war ihm, als sähe er sie wieder, damals, als röche er ihren Duft und den der brennenden Hölzer und des garenden Fleischs über dem Feuer.
     
    Kalypso schlüpfte in die zerschlissene Tunika.
    »Mein Badegewand«, sagte sie. »Oder muß ich mich aufputzen, um mit dir zu essen?«
    »Dein Körper ist mehr Schmuck, als ich wehrlos ertragen kann.« Er lächelte. »Deshalb muß ich mich ja so eindringlich wehren. Und die Tunika hat einen wundersamen Vorzug.«
    »Sie ist schnell wieder abgestreift - meinst du das?«
    »Was sonst, Fürstin?«
    Draußen sagte sie nur: »Ah!« Dann verschwand sie hinter den aufgehängten Tüchern. Während sie badete, schlenderte Aurelius zwischen den Reisewagen umher, ohne viel zu sehen. Feuer, Umrisse, Gestalten… aber eigentlich nahm er nur eines wahr: das Lächeln auf seinem Gesicht und die Versuche, es schwinden zu lassen.
    Als er zurückkehrte, hatte Kalypso sich eben wieder in die Tunika gehüllt und wies die Sklavinnen an, mit dem Auftragen der Speisen zu beginnen.
    Sie saßen auf faltbaren Stühlen an einem Klapptisch. Die Gerichte dufteten köstlich, aber Aurelius nahm nur wenig.
    »Ein Häppchen hier, ein Häppchen da - hast du keinen Hunger?« sagte Kalypso.
    »Ich habe gewaltigen Hunger.« Er lächelte sie an. »Aber zuviel der guten Speise vermindert die Beweglichkeit des Leibes, wie wir wissen.«
    »Wenn du« - sie kicherte leise - »deine kundige Zunge später noch zu anderem nutzen magst… Ich habe mich nicht salben lassen.«
    Aurelius ächzte übertrieben. »O die Erforschung deiner entlegenen Gefilde! Wie soll ich jetzt essen können?«
    »Iß, daß du genug Kraft zu vergeuden habest.«
    Gehorsam aß er: genug, aber nicht zuviel. Einige Zeit danach zogen sie sich zu gründlichen gegenseitigen Forschungen in den Reisewagen zurück. Später tranken sie Wein unter den Sternen und redeten, während ringsum die Feuer niederbrannten. Kalypso erzählte von der behüteten Kindheit, die mit dem »hastigen« Tod der Mutter endete, dem allzu früh der »übereilte« des Vaters folgte. Mit fünfzehn hatte sie die geringen Rücklagen verbraucht, die ein Philosoph und Rhetoriklehrer bilden konnte, und mußte entscheiden, ob sie vermählte

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