Cäsars Druide
nicht gesagt, daß du uns so oder so verfolgen würdest? Was willst du von uns, Cäsar? Was hast du hier verloren? Wieso dringst du überhaupt in Gallien ein?«
»Unsere treuen Freunde, die Häduer, haben das römische Volk um Hilfe gebeten. Auch die Allobroger und Ambarrer haben sich über euch beklagt.«
»Wer gibt dir das Recht, dich hier als Richter aufzuspielen? Wir Kelten brauchen keine fremden Richter! Und unsere Freiheitsliebe hat schon manchem Heer Tod und Verderben gebracht!«
Cäsar saß trotz seines legendären Mundwerks in der Klemme. In Anwesenheit all seiner Liktoren, Tribune, Legaten, Centurionen und Tausender von Legionären mußte er hier öffentlich plausible Gründe angeben, die seinen Überfall erklärten und ihm das Recht gaben, die Helvetier weiterhin außerhalb der Provinz zu verfolgen. Er setzte deshalb gezielt auf eine Eskalation der Unterredung: »Ihr prahlt mit euren Siegen und wundert euch gleichzeitig, daß ihr trotz der damaligen Ungerechtigkeiten ungestraft davongekommen seid. Das zeigt ganz deutlich eure Gesinnung. Aber bedenke, Divico, die unsterblichen Götter gewähren manchmal jenen Menschen, die sie für ihre Ruchlosigkeit bestrafen wollen, größeres Glück und längere Straflosigkeit, damit sie den jähen Wechsel ihres Schicksals um so härter empfinden.«
Wie ein Kleinkrämer hackte Cäsar mangels Argumenten auf dieser uralten Geschichte herum. Er konnte ja nicht schweigen. Cäsar mußte antworten, reden. Im Grunde genommen sprachen sie beide aneinander vorbei, weil der eine Frieden suchte und der andere endlich zum nächsten Angriff übergehen wollte. Cäsar blickte kurz zu mir herüber und musterte dann seine Männer. Er wußte, daß er keine gute Figur abgab und daß man ihn in Rom der gesetzwidrigen Kriegstreiberei bezichtigen würde. Das bestellte Hilfegesuch der Häduer war zu durchsichtig. Also mußte Cäsar den Frieden anbieten und gleichzeitig Bedingungen stellen, die für Divico unannehmbar waren: »Trotz allem bin ich bereit, mit euch Frieden zu schließen«, sagte er völlig überraschend, »wenn ihr euch mit Geiseln für die Erfüllung meiner Forderung verbürgt und den Häduern Schadensersatz leistet.«
»Wir haben mit den Häduern für den Zeitraum des Durchmarschs Geiseln ausgetauscht. Hätten wir irgendwelchen Schaden angerichtet, hätten sie uns unsere Geiseln schon längst um einen Kopf kürzer zurückgeschickt. Dies aber ist nicht geschehen. Und es wird auch nicht geschehen.«
»Dann stellt auch dem römischen Volk Geiseln«, beharrte Cäsar.
»Wir Helvetier haben von jeher von Fremden Geiseln genommen, niemals aber ihnen welche gestellt.«
Divico entfernte sich, ohne Cäsars Antwort abzuwarten. Er hatte längst bemerkt, daß die ganze Unterredung pure Heuchelei war. Sie hatte stattfinden müssen, damit man in Rom berichten konnte, Cäsar habe sich um Frieden bemüht. Er war sichtlich zufrieden, als der greise Divico ihm endlich den Rücken kehrte.
Cäsar versammelte sogleich seine Tribune, Legaten und Centurionen in seinem Zelt.
»Wie ist die Stimmung unter den Soldaten?« fragte er als erstes.
Alle blickten auf Lucius Speratus Ursulus. Er kannte die Nöte seiner Männer aus nächster Nähe. »Nachdem man ihnen die Tapferkeit der Helvetier in allen Farben geschildert hat, sind sie überrascht über den leicht errungenen Sieg. Das Niedermetzeln von schlaftrunkenen Männern, Frauen und Kindern hat sie nicht sonderlich gefordert.«
»Sind sie wenigstens mit der Beute zufrieden?« fragte Cäsar.
Der Primipilus zögerte, schließlich sagte er mit gesenktem Haupt: »Nein, Cäsar, sie sagen, sie hätten Bauern ausgeraubt.«
Cäsar legte die Stirn in Falten und überlegte.
»Darf ich sprechen, Cäsar?« fragte ich laut.
Cäsar drehte sich um, als hätte eine Maus gequietscht. Er musterte mich mißtrauisch. »Sprich, Druide, aber faß dich kurz.«
»Cäsar«, begann ich, »wenn du den Soldaten sagst, sie hätten den ganzen Stamm der Tiguriner vernichtet, dann suchen sie zu Recht nach deren Fürsten und deren Gold. Ist Divico nicht auch ein Tiguriner? Wieso befinden er und seine Fürsten sich nicht unter den Toten?«
Cäsar begriff sofort, daß er sich mit seinen Lügengeschichten selber ein Bein gestellt hatte. Aber er schien nicht verärgert, daß ich ihn darüber öffentlich aufklärte, nein, er grinste, als gefiele es ihm, daß ein keltischer Druide sein vielschichtiges Netz von Taktiken, Lügen und Intrigen weiterzuspinnen versuchte.
»Du
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