Cäsars Druide
Legionen den Helvetiern hinterher. Der Abstand unserer Vorhut zur Nachhut der Helvetier betrug jeweils fünf bis sechs Meilen. Unter den Legionären war das Goldfieber ausgebrochen. Die Schlacht gegen die eher bäuerischen Tiguriner hatte sie nachträglich in Euphorie versetzt. Cäsars Kanzlei hatte gute Arbeit geleistet. Die Fakten hatten sich nicht verändert. Nur ihre Darstellung. Und die Art und Weise, wie man sie den Legionären verkaufte. Die Aussicht auf weitere Plünderungen und große Goldmengen machten die Beine der Legionäre wieder frisch und munter. In Reih und Glied folgten sie dem Troß der Helvetier, der sich langsam durch das Land der Häduer bewegte. Cäsars Reiterei bestand fast ausschließlich aus häduerischen und allobrogischen Adeligen und ihren bessergestellten Klienten. Vertreten waren auch aus keltischen Oppida ausgestoßene Adlige wie die Leute um den Arverner Vercingetorix. Sie alle waren für sehr viel Geld und mit dem Versprechen auf Keltengold angeworben worden.
Unter ihnen war erstaunlicherweise sogar Dumnorix, der erklärte Romhasser. Tag für Tag reizten er und seine Männer, gegen Cäsars Befehl, den Zug der Helvetier, jagten jeden Trupp, der in den umliegenden Dörfern Nahrung beschaffen wollte. Sie reizten, forderten heraus, aber sie mieden den direkten Kampf. Schon das Ausbleiben von Grünfutter für die Tiere konnte den ganzen Treck zum Erliegen bringen. Ein paar Stunden Regen reichten bereits aus, damit das zickige Schwein, wie die Legionäre den Helvetierzug nannten, im Morast steckenblieb. Der Umweg über die Schluchten hatte Kraft gekostet, und die beinahe völlige Ausrottung der Tiguriner hatte viele deprimiert. Die Helvetier wurden zunehmend nervös. Einmal verlor die berittene Nachhut die Nerven, und fünfhundert helvetische Reiter galoppierten auf die viertausend berittenen Häduer zu. Der schlitzohrige Dumnorix ergriff mit seinen Leuten als erster die Flucht und löste unter den viertausend Häduern eine Panik aus. Fünfhundert helvetische Reiter schlugen viertausend häduerische Reiter in die Flucht. Diese Nachricht blieb auf beiden Seiten nicht ohne Wirkung. Das war auch Dumnorix' Absicht gewesen. Er wollte unter den Römern Panik und schlechte Laune verbreiten. Nur wenn Cäsar sich in die Provinz zurückzog, konnte er seinen prorömischen Bruder Diviciatus politisch vernichten.
Nach zwei Wochen kam Fufius Cita, Cäsars Getreidebeschaffer, aus dem Oppidum Bibracte zurück und teilte Cäsar mit, daß er das Getreide auf Schiffe verladen habe und den Arar hinaufbrachte. Die Flüsse in Gallien waren die schnellsten, billigsten und sichersten Transportwege überhaupt.
»Was nützen mir deine Schiffe, Fufius Cita«, schrie Cäsar wutentbrannt, »die Helvetier sind vom Arar abgebogen und bewegen sich jetzt auf Matisco zu! Wenn ich ihnen auf den Fersen bleibe, entferne auch ich mich vom Arar und somit vom Nachschub. Dieses Getreide nützt mir nichts mehr! Ich brauche neues Getreide. Diviciatus persönlich hat mir die Lieferungen versprochen!«
»Cäsar, der Winter in Gallien war in diesem Jahr ungewöhnlich lang, das Getreide auf den Feldern ist noch nicht reif. Wir haben nicht mal ausreichend Grünfutter. Aber die Häduer …«
»Was meinen diese Häduer eigentlich, wen sie vor sich haben? Habe ich ihnen die Freiheit gelassen, damit sie mich zum Narren machen? Jeden Tag neue Versprechungen! Das Getreide kommt … es wird bereits zusammengetragen … es ist bereits unterwegs … Meine Geduld ist zu Ende! In wenigen Tagen erhalten unsere Soldaten ihre Nahrungsmittelration für die nächsten zwei Monate, zwei Modien pro Kopf! Und wir haben keinen Sack Getreide mehr im Heer! Fufius Cita«, tobte Cäsar, »der Hunger ist schrecklicher als das Eisen! Du kannst eine Schlacht gegen Männer gewinnen, aber nicht eine Schlacht gegen den Hunger!«
»Ich weiß, Cäsar«, gab Fufius Cita kleinlaut zu, »ich habe deshalb Diviciatus und Liscus mitgebracht. Sie warten draußen vor dem Zelt, um mit dir zu sprechen.«
Cäsars Miene hellte sich auf. »Führt sie rein! Und ruft die Legaten!«
Soldaten von Cäsars Prätorianergarde führten die beiden häduerischen Adligen rein. Gleichzeitig betraten auch Cäsars Legaten das Zelt. Diviciatus sah noch zermürbter aus als vor einigen Wochen. Wie eine langgezogene Pflaume, die zu lange in der Sonne gelegen hatte. Liscus war ein stets händereibender, untersetzter Häduer um die vierzig, mit einem Bart, den er so üppig wuchern ließ,
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