Cäsars Druide
brauchte eine Mischung, die die Blutgefäße erweiterte, bevor man sie wieder herauskotzte. Es wurde immer schwerer, eine Entscheidung zu treffen, denn mit jedem Becher Wein, den ich probeweise leerte, schien die göttliche Kraft und Weisheit in mir abzunehmen. Ich glaube, die Erdmuttergöttin hatte nicht damit gerechnet, daß ich mich nach der Pilzverkostung noch derart aufopfernd dem Wein hingeben würde. So überwog die Wirkung des Weines bald die Wirkung des Pilzes, und ich torkelte mit schwerem Zungenschlag zwischen den Sklaven und Amphoren herum und wußte nicht mehr, welchen Wein ich in welcher Konzentration bereits gekostet hatte. Schließlich verlangte ich nach einem Bronzesieb und ließ mir einen echten Falerner einschenken. Welch ein Geschenk der Götter! Als hätte Bacchus persönlich den Kelterungsprozeß überwacht! Keine Spur von Terpentin, Kreide, Harz, Schwefel, Salz, Marmorstaub oder Aschenlauge! Das war ein richtiger Wein, schwer und tiefrot, aber samtig weich und mit dem schmeichelhaft feinen Geschmack von altem Faßholz und Nüssen. Diesen Falerner trank ich unverdünnt. Ich legte mich dazu auf die Liege und genoß den Rausch, der mich von allen Sorgen und Ängsten befreite und mir das euphorische Gefühl eines Imperators verlieh. Am liebsten wäre ich aufgestanden, nach Rom geritten und hätte mich dort zum Konsul ausrufen lassen! Doch als ich meine Trinkschale zum Nachfüllen ausstreckte, verlor ich das Gleichgewicht und fiel vom Sofa.
»Druide, der Sud ist nun kalt«, sagte der Küchenmeister leise, während er mir diskret unter die Arme griff. Den hatte ich beinahe vergessen. Ich torkelte ein paar Schritte nach vorne und stützte mich dann an der Tischplatte ab. Der Tisch kippte, die bronzenen Gefäße und Becher flogen scheppernd durch das Vorzelt. Ich stürzte der Länge nach hin und riß ein paar Amphoren mit, die in Metallgestellen standen und sich nun wie rohe Eier gegenseitig die Köpfe aufschlugen. Welche Tragödie für einen Weinfreund! Der Wollstoff meiner Tunika sog sich mit dem blutroten Traubensaft voll. Mir war, als würde mir jemand das Zelt um die Ohren schwingen. Alles drehte sich. Kraftlos blieb ich in einer Weinlache liegen. Neben mir lag meine Trinkschale. Der herausspritzende Wein der zerbrechenden Amphoren hatte sie wieder aufgefüllt. Das mußte ein Wink der Götter sein. Ich zwinkerte dem Küchenmeister zu, der irritiert das ganze Chaos betrachtete.
»Schütte den Sud in einen Tonkrug. Aber nichts verschütten! Dann gibst du Wasser und Falerner hinzu, aber gib acht, daß alle drei Teile gleich groß sind.«
Der Küchenmeister schien erleichtert, daß ich nicht die Absicht hatte, das Ganze selber umzuschütten. Mit seinem Dolch markierte er den Stand der Flüssigkeit in der Trinkschale und goß den Sud schließlich in einen Tonkrug. Dann füllte er die Schale bis zur eingeritzten Kerbe mit Wasser und Falerner. Zuletzt schickte er die Sklaven mit den Amphoren hinaus. Wohl meiner Gesundheit zuliebe. Und dann kam der Augenblick, den ich in keiner Weise herbeigesehnt hatte. Vom Küchenmeister gestützt wurde ich in den hinteren, privaten Teil von Cäsars Feldherrenzelt geführt. Cäsar lag immer noch wie erschlagen auf der Liege, den einen Arm über der Schläfe. Am liebsten hätte ich mich neben ihn gelegt und wäre eingeschlafen. Doch der Küchenmeister setzte mich vorsichtig auf einen Stuhl und füllte eine Trinkschale mit meiner Kreation. Allein der Gedanke daran machte mich krank. Mir war mittlerweile kotzübel.
»Cäsar«, flüsterte der Küchenmeister. Cäsar war wach. Er richtete sich auf, nahm die Schale und trank sie in wenigen Schlucken leer, ohne mich anzuschauen. Cäsar reichte dem Küchenmeister die Schale, damit dieser nachschenke. Der Küchenmeister schaute mich fragend an. Ich nickte, obwohl ich keine Ahnung hatte, wieviel man von diesem Gebräu trinken konnte. In meinem Kopf jagten sich die Gedanken. Fieberhaft versuchte ich zu rekonstruieren, was ich eigentlich zusammengebraut hatte. Einerseits befand ich mich in ausgelassener Stimmung, wie ein Gott, der vergnügt mit seinen Gespielinnen in den Wolkenfeldern schäkert, andererseits geisterte das Stichwort ›Fumix‹ durch mein Hirn.
»Bring dem Druiden einen Falerner«, murmelte Cäsar, während er tief ein- und ausatmete.
Der Küchenmeister starrte mich entgeistert an und verschwand dann im Vorzelt. Cäsar legte sich wieder und schloß die Augen.
»Du bist ein seltsamer Druide, Korisios«,
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