Cäsars Druide
Schmerzen von ihm gewaschen. Die Vertraulichkeit, die eben noch zwischen uns geherrscht hatte, wich wieder der Nüchternheit des ehrgeizigen Feldherrn, der nur sein egoistisches Ziel vor Augen hatte. Aber doch schien mir, als sei irgend etwas in mir zurückgeblieben. Ein Gefühl der Loyalität? Ich weiß es nicht. Ich war ziemlich verwirrt. Vielleicht auch bloß betrunken. Das auf jeden Fall.
»Das erste Jahr in Gallien ist vorbei. Das soll das erste Buch sein. Ich will es heute nacht beenden und morgen abreisen.« Erschrocken zog ich die Augenbrauen hoch und versuchte angestrengt Feder und Papyrusrolle zu finden. Das Zelt schien sich zu bewegen, wie ein Floß auf hoher See. Die Konturen und Farben verschwammen zu einem grotesken Schauspiel. Das flackernde Licht ließ auf meinem Schreibtisch ekstatische Tänzerinnen entstehen, die ihre Schatten wild zuckend auf die Papyrusrollen warfen. Ich sehnte mich wirklich nach einem Stück Wiese. Cäsar rollte eine beschriebene Papyrusrolle vor mir aus und drückte mir einen Griffel in die Hand. Obwohl wir seit Tagen nicht mehr daran gearbeitet hatten, hatte Cäsar noch alles präsent und diktierte einfach weiter: »Gaius Valerius Procillus, den seine Wächter auf der Flucht in dreifachen Ketten fortschleppten, fiel Cäsar selbst in die Hände, als dieser die Feinde mit der Reiterei verfolgte. Und dieser Umstand bereitete Cäsar keine geringere Freude als der Sieg selbst.« Ich war überrascht, daß Cäsar unsere Befreiung erwähnte. Wollte er damit ausdrücken, daß ihm das Wohl jedes einzelnen am Herzen lag? Natürlich war dies für mich nicht die zentrale Frage. Ich wunderte mich darüber, daß Cäsar Procillus erwähnte, mich aber nicht, und daß Cäsar mich für die Niederschrift ausgewählt hatte und nicht Procillus. Ich denke, daß auch für einen Römer nur die Rettung eines Adligen erwähnenswert ist. Vielleicht wollte er auch die Intimität beenden, die zwischen uns geherrscht hatte. »So hatte Cäsar in einem einzigen Sommer zwei sehr bedeutende Kriege zu Ende gebracht und ließ daher früher, als es die Jahreszeit verlangte, sein Heer bei den Sequanern das Winterlager beziehen, den Oberbefehl übergab er dem Labienus. Er selbst begab sich ins diesseitige Gallien, um Gerichtstage zu halten.«
Gegen Mitternacht fand ich endlich das langersehnte Stück Rasen im Freien. Krixos besorgte mir frisches, kaltes Wasser und eine neue Tunika. Als ich in den frühen Morgenstunden in mein Zelt zurückkehrte, hatte Cäsar das Lager bereits Richtung Süden verlassen. Wanda nahm mir meine Eskapaden übel. Ich versuchte ihr die Pflichten eines Druiden zu erklären, doch sie schimpfte mich einen Säufer und behauptete, nicht Cäsars Legionen würden Gallien unterwerfen, sondern der römische Wein. Ich schwieg. Ich glaube, ich habe vor langer Zeit mal angedeutet, daß es Sklavinnen gibt, die ihren Herren die Leviten lesen. »Dafür werde ich dich auspeitschen lassen«, murmelte ich, während ich entweder das Bewußtsein verlor oder aus kulinarischer Überanstrengung einschlief.
VIII.
Das Winterlager wurde in unmittelbarer Nähe des Oppidums Vesontio errichtet. Für die Legionäre unterschied es sich kaum von den üblichen Marschlagern. Sie übernachteten weiterhin zu acht in niedrigen Giebelzelten aus Ziegen- und Kalbsleder. Der Zeltboden wurde mit Stroh ausgelegt. Um das Zelt herum wurden kleinere Gräben gezogen, damit das Regenwasser abfließen konnte. Die Offiziere erhielten Holzbaracken, die Legaten sogar solche mit Hypokaustheizungen. Auf besondere Anordnung von Gaius Oppius und Aulus Hirtius hatte der Lagerpräfekt mir ebenfalls eine beheizte Baracke errichten lassen. Im Sekretariat hatten längst alle bemerkt, daß meine Muskeln bei Regen und Kälte derart hart wurden, daß mein Schriftbild nicht mehr weich und fließend war, sondern so, als hätte ich die Zeilen auf einem ratternden Ochsenkarren geschrieben.
Die Baracken boten einen weiteren Vorteil: Licht. Während es in den niedrigen und lichtundurchlässigen Lederzelten stockfinster war, hatten wir in den Holzbaracken Öllampen.
Fast jeden Monat schrieb ich Kretos einen Brief und erstattete Bericht. Ich hoffte innigst, bis zum Frühling von ihm zu hören. Aber Kretos schwieg.
»Was meinst du, Wanda, wo mag er wohl sein?«
»Kretos? Ich weiß es nicht, Herr. Vielleicht war er in Ariovists Lager und ist bei der Schlacht umgekommen.«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wie auch immer. Ich werde den Vertrag
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