Cäsars Druide
nachdenklich an. Vielleicht erwartete er eine Bemerkung dazu. Schließlich sagte er, während er mich lauernd wie ein Fuchs beobachtete, als könne er aus meinem Verhalten Prophezeiungen ablesen: »Ich habe Pompeius gebeten, mir seine Tochter zur Frau zu geben, so, wie ich ihm seinerzeit Julia, meine geliebte und einzige Tochter, zur Frau gegeben habe. Pompeius' Tochter ist jung, schön und klug. Und ihr Körper erregt in jedem Mann Leidenschaft und Begierde. Aber Pompeius hat sich geweigert. Er will die Bande zwischen uns nicht mehr erneuern. Statt dessen hat er Cornelia geheiratet, die Tochter des Quintus Metellus Scipio. Metellus Scipio haßt mich. Er würde alles tun, um mich zu vernichten. Cornelia war zuvor mit dem jungen Publius Crassus verheiratet. Wußtest du, daß er bei Carrhae gefallen ist? Auch sein Vater ist gefallen. Er verstand eine Menge vom Geld, aber nichts von Krieg. Jetzt sind nur noch Pompeius und ich übrig. Und er heiratet ausgerechnet die Tochter meines ärgsten Feindes.«
Langsam kaute ich Brot und nahm ab und zu einen kleinen Schluck aus meinem Holzbecher. Es war auffallend, wie stark sich Cäsar verändert hatte. Keine Spur von Pomp oder Verschwendung. Er war durch und durch Soldat geworden. Er machte den Eindruck eines Mannes, der sich verpflichtet fühlte, mehr zu leisten als jeder andere Mensch, wohl wissend, daß sich niemand dafür bei ihm bedanken würde, sondern daß jeder nur auf sein Scheitern wartete, um ihm den Dolch zwischen die Rippen zu stoßen. Cäsar war einsam geworden. Ich war es auch. Und dennoch hatten wir uns nichts mehr zu sagen.
»Sag mir, Druide, weißt du, wie der Wettstreit zwischen mir und Pompeius ausgehen wird?«
»Du weißt es doch selbst, Cäsar. Wozu brauchst du einen keltischen Seher? Erzwingst du nicht mit der Waffe, was dir verwehrt wird?«
»Das ist keine Prophezeiung, Druide. Du sagtest einmal, ich würde durch die Hand eines Römers sterben. Dann sag mir jetzt, wird es Pompeius sein?«
»Nein«, lachte ich, »Pompeius ist Soldat. Und Soldaten brauchst du nicht zu fürchten, Cäsar. Selbst wenn du die Schlacht verlierst, den Krieg gewinnst du.«
Ich sah die Genugtuung ins Cäsars Gesicht. Hatte er mich nur gerufen, um neue Prophezeiungen zu hören? Ich hatte Cäsar durchaus die Wahrheit gesagt. Es gab Dinge, von denen ich wußte, daß sie eines Tages geschehen würden. Ich weiß nicht, wieso es so war. Aber es war so. Nur Dinge, die mich selbst betrafen, blieben stets im dunkeln. Ich machte keine Anstalten, Cäsar näherzukommen. Er wäre bereit gewesen, meine Hand zu ergreifen. Wie damals. Aber ich ließ es nicht zu. Ich ließ auch den Wein stehen, den er mir nachschenken ließ. Mittlerweile trank ich den Wein lieber allein. Mit Lucia und meinen Gedanken an meine geliebte Wanda.
»Hast du einen Wunsch, Druide«, fragte Cäsar, als ich mich zum Gehen erhob.
»Nein«, antwortete ich. »Du hast mir Wanda genommen, und du wirst sie mir nicht mehr zurückgeben. Wieso soll ich dich darum bitten?«
»Was würdest du denn tun, wenn dir eine Sklavin nach dem Leben trachten würde?«
»Ich würde nie ein Volk ausrotten, nur weil es vor den Sueben geflohen ist«, antwortete ich und verließ das Zelt.
Im darauffolgenden Jahr hatte Cäsar bereits zehn Legionen mit über fünfzigtausend Soldaten in Gallien stationiert. Unermüdlich marschierte er von einem Ort zum andern und unterwarf Stämme, die er bereits Jahre zuvor unterworfen hatte. Plündernd und marodierend durchstreiften seine Legionäre die Stammesgebiete und setzten alles in Brand, was sie nicht mitnehmen konnten. Jeder Fluß, jedes Heiligtum wurde entehrt und ausgeraubt. Gegen Ende des Sommers schien es so, als habe Cäsar Gallien zum zweiten Mal befriedet. Während Cäsar wie üblich in seine cisalpinische Provinz zurückkehrte, um Gerichtstage zu halten, überwinterte ich im mittlerweile ausgebauten Handelshaus des Fufius Cita, wo ich eher unbedeutende römische Korrespondenzen kopierte. Manchmal verbrachte ich die Nächte mit einer Carnutin, die uns tagsüber mit Essen und Getränken aus dem nahen Gasthof versorgte. Aber sie verstärkte bloß die Sehnsucht nach Wanda.
Obwohl Wandas Bild im Lauf der Jahre etwas verblaßt war, war die Sehnsucht nach ihr stärker denn je. Es war ein Teil von mir, den man mir entrissen hatte. Und ich meine, es war der bessere Teil. Manchmal, wenn ich nachts wach auf meinem Fell lag, dachte ich an Wanda und versuchte ihr Gesicht zu sehen. Doch sie war weit weg
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