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Cäsars Druide

Titel: Cäsars Druide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cueni Claude
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gekannt hatte, meine Geschwister, die ich nie gesehen hatte. Für sie alle hatte ich die Speisen und Getränke auftischen lassen. Von mir aus konnten sich auch Teutates, Esus, Taranis und Epona zu mir setzen. Ich hatte keine Angst. Und sollten sie mich für meinen Hochmut in die Anderswelt mitnehmen, so war es mir einerlei. Ich war bereit. In der Anderswelt wäre ich Wanda näher. Sie wäre für immer unerreichbar, aber stets in meiner Nähe. Ich kam über die Trennung einfach nicht hinweg.
    Fast andächtig nahm ich ein Stück Fleisch in den Mund und kaute es langsam. Sehr langsam. Kein Mensch könnte in der Nacht von Samhain etwas achtlos hinunterschlingen. Denn alles hat eine Bedeutung. Jede Geste wird zur Zeremonie. Die Toten sind nah. Man spürt ihr Kommen, ihre Blicke, den Atem, der einem wie ein sanfter Windstoß durchs Haar fährt. Und tatsächlich, plötzlich waren sie da, um mich versammelt. Sie setzten sich auf die Steine, die ich ihnen hatte herrichten lassen, aber sie blieben stumm und unsichtbar. Mir schien auch, sie wären traurig. Ich weiß nicht, warum. Ich gab Lucia, die zufrieden auf meinen Füßen ruhte, ein Stück Fleisch und schloß die Augen. Ich hörte nur das Knistern des Feuers. Meine Gäste blieben stumm.
    Als ich die Augen wieder öffnete, hatte ich den Eindruck, wieder allein zu sein. Die Steine waren nichts als Steine, und die vollen Becher auf den Tischflächen wirkten plötzlich albern. War das schon alles gewesen? Was hatte das zu bedeuten? Hatten sie das Interesse an mir verloren? Ich legte neues Holz nach und zog meine Kapuze über den Kopf. Es war dunkel geworden. Und kalt. Ich sah in den sternklaren Himmel hinauf, und plötzlich, ich weiß nicht, warum, fragte ich mich, ob es überhaupt Götter gäbe. Ob sie nicht nur eine Erfindung der Druiden seien, um uns untertan zu machen. War es denn möglich, daß unser Leben genauso sinnlos war wie das Leben eines Wurms oder das Leben eines Busches? Insgeheim erwartete ich einen göttlichen Gegenbeweis oder gar eine Strafe der Götter. Ich erwartete, daß Taranis einen Blitz auf die Erde schleuderte. Aber nichts geschah. Kein Wind, kein Aufheulen der Wölfe, kein Regen. Meine Gedanken bewegten sich in derselben Richtung weiter. Nur wenn es keine Götter gab, war erklärbar, wieso alles, was sich zwischen Himmel und Erden abspielt, derart wirr und zufällig ist, ungerecht und sinnlos. Ich versuchte, nicht weiterzudenken, und wartete. Nichts geschah. Ich horchte. Nur der Schrei einer Eule war zu hören. Eine Eule, sonst nichts. Vielleicht gab es keine Götter. Oder gab es sie doch, und sie taten einfach nichts? Vielleicht hatten sie gar kein Interesse an uns Menschen. Vielleicht bildeten wir uns nur ein, die Götter seien für dieses und jenes verantwortlich. Vielleicht waren sie irgendwo im Universum und wußten gar nicht, daß es uns armselige Kreaturen gab. Vielleicht waren wir nicht mehr als ein Sandkorn in irgendeiner Welt. Vielleicht mußten wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen und Gott spielen. So, wie es Cäsar tat.
    Kurz bevor ich einschlief, entschuldigte ich mich bei den Göttern. Ich sagte ihnen, daß es mir sehr leid täte, und versprach, morgen ein Opfer zu bringen. Ich sagte ihnen auch ganz offen, daß es mir wohlgetan hatte, ein bißchen zu stänkern. Und ich gab ihnen den Rat, doch mal über meine Vorwürfe, oder sagen wir mal, über meine Gedanken nachzudenken. Als ich langsam eindöste, bereute ich, Samhain im Freien verbracht zu haben. Es war kalt. Und ich mußte einfach hinnehmen, daß alle Götter, egal ob griechisch, römisch oder keltisch, parteiisch und ungerecht waren. Ich denke, wenn man einen gerechten Gott erwartet, verliert man den Glauben. Wenn man hingegen einsieht, daß da oben göttliches Gesindel sein Unwesen treibt, geht es in Ordnung. Nur dann kann man verstehen, wieso unsere Götter zuließen, daß ein Römer unser Land überfiel, ganze Stämme ausrottete, unsere Heiligtümer plünderte und dabei ständig vom Glück begünstigt blieb. Alles Gesindel, oben und unten!
    Im Morgengrauen weckte mich Lucias Knurren. Am Waldrand waren Rehe aufgetaucht. Ich strich Lucia kurz über die Schnauze. Das war der Befehl, sich ruhig zu verhalten. Die Rehe kamen etwas näher. Es war ein ganzes Rudel. Instinktiv dachte ich an Onkel Celtillus. Vielleicht hatte er in der Nacht andere Orte besucht.
    »Onkel Celtillus?« flüsterte ich.
    Das eine Reh hob den Kopf und hielt die Nüstern in den Wind. Plötzlich sprang

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