Cäsars Druide
keltische Krieger durch die Straßen und skandierten den Namen des jungen Arvernerkönigs.
»Wo ist Vercingetorix?« fragte ich Boa. »Ich muß sofort zu ihm!«
Das Mädchen trat erschrocken einen Schritt zurück.
»Was hast du vor, Korisios?«
»Ich habe Karten, in denen alle römischen Proviantlager eingezeichnet sind! Wenn Vercingetorix diese Karte hat, kann er Cäsars Heere vernichten, ohne daß er sie jemals zu Gesicht bekommt.«
Das Mädchen half mir die Papyrusrollen zusammenzusuchen. Sie wickelte sie in ein großes Stück Leder und verschnürte die Riesenrolle mit Schnüren.
Dann brachte sie mich zu den Kriegern, die sich bereits auf dem Marktplatz versammelt hatten, um sich Vercingetorix anzuschließen. Der carnutische Fürst Gedomo führte sie an.
»Fürst!« rief ich. »Nehmt mich mit, ich muß sofort zu Vercingetorix!«
»Was hast du in deinem Lederpaket?«
»Papyrusrollen!«
Die Krieger grölten vor Lachen.
»Es ist der Schreiber von Fufius Cita!« schrie einer.
»Verbrennt diese Rollen! Rom soll brennen!«
»Und sein Schreiber dazu!« röhrte eine heisere Stimme.
»Er ist ein keltischer Druide!« schrie Boa. Junge Krieger drückten sie mit ihren Pferden zur Seite.
»Ich bin Korisios vom Stamme der Rauriker«, schrie ich, während auch ich immer dichter von berittenen Kriegern bedrängt wurde. »Auf diesen Rollen sind alle römischen Proviantlager eingezeichnet.«
Gedomo entriß sie mir und warf sie in hohem Bogen in Richtung eines brennenden Lagerhauses. Sofort stürzten sich junge Krieger, die ohne Pferd gekommen waren, auf die Rollen und warfen sie ins Feuer.
»Nieder mit Rom! Tod den Römern!«
»Fürst Gedomo!« brüllte ich. »Diese Rollen waren für Vercingetorix! Es steht dir nicht zu, sie zu verbrennen.«
Die carnutischen Krieger lachten und ließen, auf dem Rücken ihrer Pferde sitzend, den Weinschlauch kreisen, während die jungen Kelten meine Papyrusrollen einzeln ins Feuer warfen. Ich wollte hinüberreiten, und ihnen die Rollen entreißen, doch die anderen Kelten kesselten mich ein. Ich riß das goldene Amulett mit dem Ebergott Euffigneix von meinem Gurt und hielt es hoch.
»Das ist der Gott des Arvernerkönigs! Er hat ihn mir geschenkt, damit ich eines Tages zu ihm zurückkehre! Für ihn habe ich die Karten angefertigt! Für ihn, ihr Narren! Für ihn und ein freies, geeintes Gallien!«
Ich glaube, all die Rufe, die Vercingetorix und das freie Gallien hochleben ließen, blieben ihnen im Halse stecken. Gedomo hob die Hand, damit alles schweige.
»Bist du wirklich Druide?«
»Ja«, fauchte ich, »und die Götter werden jeden verfluchen, der vernichtet hat, was für Vercingetorix bestimmt war!«
Gedomo riß die Augen weit auf und preschte zum brennenden Lagerhaus hinüber, wo die Jungen die Papyrusrollen genußvoll ausrollten und langsam verbrannten.
»Aufhören!« brüllte er. »Aufhören, oder ihr werdet von den Gottesdiensten ausgeschlossen!«
Doch es gab nichts mehr zu retten. Das Feuer hatte seine Arbeit bereits vollendet. Der große Gedomo sah aus wie ein kleiner, dummer Junge. Er kam wieder zu mir zurück, wußte aber nicht, was er sagen sollte. Schließlich brummte er: »Was meinst du, Druide, ist das mit einem Goldschüsselchen wiedergutzumachen.«
»Nein«, fauchte ich, »und nochmals nein. Die Götter sind stinksauer! Und du kannst froh sein, daß ich ein ausgesprochen gutes Gedächtnis habe. Vielleicht schaff ich es, die Karte mit den Proviantdepots nochmals zu malen.«
»Du meinst, du könntest das schaffen, Druide?« fragte er ungläubig.
»Bring mich zu Vercingetorix! Aber schau zu, daß mir unterwegs nichts passiert. Ein gutfunktionierendes Gedächtnis braucht genügend Flüssigkeit und Nahrung …«, herrschte ich ihn an. Ich schrie mir förmlich die Angst, die ich soeben ausgestanden hatte, von der Seele.
»Jaja«, flüsterte Gedomo und winkte einen jungen Kelten herbei. »Sorge dafür«, rief er diesem zu, »daß dem Druiden nichts passiert! Ich mache dich und deine Brüder persönlich für sein Wohl verantwortlich!«
»So sei es, Gedomo!« brüllte der junge Kelte, und seine Brüder stießen johlend ihre Schwerter in den Himmel. Es war für sie offenbar eine Ehre, einen Druiden beschützen zu dürfen.
Ich verabschiedete mich von Boa, zurückhaltend, wie es sich für einen Druiden in der Öffentlichkeit gehört. Es fiel mir schwer. Während der langen Winternächte hatten wir uns gegenseitig ein bißchen Wärme und Halt gegeben. Wie zwei
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