Cäsars Druide
Krieger, mich vom Pferd runterzunehmen. Er half. Doch kaum hatte ich den Boden berührt, ließ er mich los. Er hatte nicht damit gerechnet, daß ich wie eine entwurzelte Rotbuche umkippen würde. Mir wurde kotzübel und schwarz vor den Augen, und all die Stimmen schienen plötzlich in weite Ferne zu rücken.
Als ich wieder zu mir kam, stand ich wieder auf den Beinen. Links und rechts wurde ich von zwei Kriegern gestützt, die nach Zwiebeln und Bier stanken.
»Wanda!« Beruhigt stellte ich fest, daß sie hinter mir her ritt und mein Pferd am Zügel hielt. Ihr Gesichtsausdruck war irgendwie beleidigend. Keine Begeisterung, keine Bewunderung, einfach nichts. Die beiden Männer, die mich stützten und mir dabei beinahe die Arme verrenkten, bahnten mir einen Weg durch die Menge. Überall standen bereits bepackte Wagen herum, Schafe blökten, aufgescheuchte Hühner suchten laut gackernd und mit heftigem Flügelschlag einen Fluchtweg, grunzende Schweine wühlten im Schlamm abseits des Weges, Dutzende von abgemagerten Hunden huschten auf der Suche nach Abfällen herum, aber Lucia wich keinen Schritt von meiner Seite.
»Wo ist Basilus?« fragte ich nochmals.
Jemand schrie, man solle mich zu Basilus bringen. Ich war erleichtert. Offenbar lebte er noch. Dankbar ließ ich mich von der Menge begleiten und führen. Das Oppidum war viel größer als das der Rauriker am Knie des Rhenus. Breite Straßen trennten den Wohnbereich mit den zahlreichen Langhäusern von den Gewerbe- und Handelszonen.
Mein einziger Wunsch war, Basilus zu sehen und dann in ein mit heißem Wasser gefülltes Faß zu steigen, um endlich meine Muskeln zu entspannen, die bereits so hart waren wie die Seile eines syrakusischen Torsionskatapults. Aber offenbar war dies der Preis des Ruhms! Ich gehörte der Öffentlichkeit! Ich wurde wie ein großer Krieger gefeiert, der vom Schlachtfeld zurückgekommen war. Ich bat meine Helfer, endlich meine Arme loszulassen. Es paßte nicht ganz zum Bild eines Helden. So wollte ich Basilus nicht gegenübertreten. Mit leicht rudernden Armbewegungen kämpfte ich mich weiter durch die Menge, die eine schmale Gasse bildete und mir so den Weg wies. Das ewige Schulterklopfen war schon in Ordnung, aber ich kam dabei jedes Mal ins Straucheln.
Natürlich mußte ein vom Kampf gezeichneter Kelte mit einem germanischen Bogen und einer bildhübschen germanischen Sklavin zunächst einmal seine Geschichte zum besten geben. Ich machte dabei eine interessante Erfahrung: Je öfter eine Geschichte erzählt wird, desto besser wird sie. Mittlerweile hatte der von mir im fairen Zweikampf besiegte Germane noch einen Zwillingsbruder erhalten, und wenn Wanda mich nicht diskret mit dem Fuß geschubst hätte, wäre eine weitere Zugabe durchaus möglich gewesen – ich schwöre bei den Göttern, daß meine Geschichte noch besser geworden wäre als die gesammelten Werke der griechischen und römischen Literatur zusammen.
Es ist schon eine seltsame Welt, in der man wegen einer Gehbehinderung den Männern Ariovists entkommt und dabei noch unfreiwillig einen germanischen Fürsten umbringt, weil man nicht rechtzeitig zur Seite springt. Keltische Götter haben Humor. Wirklich! Ich warf Lucia, die gerade wieder aufjaulte, weil ihr jemand auf die Pfoten trat, einen kurzen Blick zu. Ich war stolz und gerührt zugleich, daß sie mir derart treu beigestanden hatte. Es gibt nur wenige Menschen, auf die man sich so verlassen kann. Die meisten werden in der Not unsichtbar.
Plötzlich verstummten die Stimmen. Vor uns teilte sich die Menge. Die Leute wichen so weit zurück, daß zwei Ochsenkarren aneinander hätten vorbeifahren können. Vor mir stand ein stolzer, alter, bärtiger Mann in einem prächtigen keltischen Kettenhemd. Am Hals trug er einen kunstvoll verzierten Torques aus massivem Gold. Er hatte eine sehr hohe, breite Stirn, von der Sonne gebräunt, unter den buschigen Brauen funkelten große, aufmerksame Augen. Der Wind spielte mit seinem Haar, und man hatte fast den Eindruck, vor einem Gott zu stehen. Er soll damals bereits über achtzig Jahre alt gewesen sein! In diesem Augenblick war auch ich davon überzeugt, daß die Götter ihm ein so langes Leben geschenkt hatten, damit er uns an den Atlanticus führte. Ich war tief bewegt. Vor mir stand Divico, Fürst der Tiguriner, dem mächtigen Gau der Helvetier, Divico, ein Held, der bereits zu Lebzeiten zur Legende geworden war, weil er vor rund fünfzig Jahren eine römische Legion zerschmettert hatte.
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