Cäsars Druide
Sprüche. Ich konnte Niger Fabius' Blicken ablesen, daß er die Gesellschaft der Römer zwar erduldete, aber sie für ihre Zügellosigkeit verachtete.
Ein weiterer Römer betrat das Zelt. Es war kaum zu fassen. Es war Kretos! Der Weinhändler Kretos! Mit seiner Hündin Athena! Welch eine Überraschung! Er brüllte meinen Namen, als müsse man ihn bis nach Massilia hinunter hören, und umarmte mich herzlich. Es war mir, als würde ich einen kleinen Teil von Onkel Celtillus umarmen. Ich war richtig glücklich, Kretos in meinen Armen zu halten. Jetzt war Massilia nur noch ein Katzensprung! Und ich war richtig stolz, daß er mich inmitten von all diesen Händlern sah. Ich war nicht mehr der kleine Rauriker am Fuße der Eiche!
»Mir scheint, du stehst sicherer auf den Beinen, Korisios.« Das sagte er jedes Mal, wenn er mich wieder traf. Ich weiß nicht, ob er mir bloß Mut machen wollte oder ob es wirklich so war. Kretos bückte sich zu Lucia hinunter und strich ihr über den Kopf. Athena beschnupperte sie und wimmerte leise. Athena war Lucias Mutter. Ihre Schnauze war grau geworden. Aber sofort hatte sie Lucia als ihr ›Junges‹ erkannt. Irritiert schaute sie zu ihrem Meister hoch und gab seltsame Töne von sich. Ich denke, wir Menschen werden wohl nie verstehen, was wir den Tieren antun.
»Du bist groß geworden, Korisios. Ist dein Onkel Celtillus auch hier?« Ich zögerte. Das reichte Kretos bereits, um alles zu verstehen. Er nahm mich nochmals in die Arme und murmelte irgend etwas, das vermutlich für seine Götter bestimmt war. Dann begrüßte er die römischen Händler. Die meisten kannte er mit Namen. Auch Piso war ihm kein Unbekannter.
»Kretos, ich hab für dich was Neues entdeckt. Im Gasthof des Syrers Ephesus arbeitet eine gewisse Julia. Die hat so einen kleinen, satten Arsch …« Einige skandierten »Julia« und hoben ihre Becher, »Julia! Julia!« Als sich die Römer endlich über Julias offenbar außerordentlichen Hintern einig geworden waren, fragte ich die Anwesenden, wieso hier so viele Händler zusammengekommen seien. Ob hier regelmäßig ein Markt stattfinde? Schallendes Gelächter war die Antwort. Silvanus kotzte vor lauter Lachen auf den Boden, was die anderen noch mehr belustigte.
»Hier findet kein Markt statt, sondern Krieg«, lachte Piso und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
»Haben sich die Allobroger gegen Rom erhoben?« fragte ich verwirrt.
Sie brachen erneut in Gelächter aus, doch es ebbte schnell wieder ab. Offenbar tat ich ihnen leid. Mahes Titianos schaute mich ernst an. »In Rom geht das Gerücht, die Helvetier wollten die römische Provinz überfallen.«
»Das ist eine Lüge!« schrie ich. »Wir sind ein Volk auf Wanderschaft. Wir sind keine Armee auf Kriegszug. Wir wollen nicht in die römische Provinz einfallen. Wir durchqueren sie bloß, um nach Westen an den Atlanticus zu ziehen. Die Santonen haben uns fruchtbares Land überlassen.«
Piso schaut mich mitleidig an. Ich tat ihm tatsächlich leid. Offenbar gab es da etwas, das ich nicht verstand. »Korisios, ihr Kelten seid das Volk des Goldes. Während sich alle Völker in Bergwerken für jedes Staubkorn abrackern müssen, findet ihr den Goldstaub sackweise in euren Flüssen.«
»Ich sehe den Zusammenhang nicht«, log ich.
Der Händler mit der Wurzelnase lachte laut auf und grölte: »Ihr geht auf Wanderschaft? Das Volk des Goldes geht auf Wanderschaft? Ihr habt euer gesamtes Hab und Gut dabei! Euer gesamtes Gold! Auf Wanderschaft! Und du verstehst den Zusammenhang nicht?«
»Das ist so, als würde Julia mit ihrem Arsch an Cäsar vorbeischlenkern«, ergänzte Silvanus.
Piso grinste. »Es gibt für Gaius Julius Cäsar keine bessere Gelegenheit, an Gold zu kommen. Er muß keine Städte belagern, er muß sich keiner Armee stellen, er überfällt ein Volk, das mit Weib und Kind und Ochsenkarren und seinem gesamten Gold auf Wanderschaft ist.«
C. Fufius Cita bestätigte ihn: »So ist es, Kelte. Man sagt, der Wagenzug reiche bereits von der germanischen Grenze bis hierher. Über fünfzig Meilen. Das ist ein Spaziergang, das ist wie ein Wochenende auf Capri.«
Piso ließ sich verdünnten Caecuber nachschenken und lehnte sich müde zurück. Seine Augen waren vom vielen Wein gläsern und klein geworden. Ich war leicht irritiert. An diese Möglichkeit hatte ich nie gedacht. War Rom denn nicht ein Freund des keltischen Volkes? Hatte der häduerische Fürst und Druide Diviciatus das nicht mehrmals Divico
Weitere Kostenlose Bücher