Cäsars Druide
Dämmerung wiederholten sich die Gespräche der letzten Abende. Der junge Tribun motzte, der Offizier hörte gelangweilt zu, während die beiden Häduer nicht aufhören konnten, von ihrem glücklichen Alltag in römischen Diensten zu erzählen. Doch immer öfter schielten sie zu Wanda rüber. Mir schienen ihre Blicke immer unverhohlener und begieriger. Es war, als würden sie ihr die Kleider vom Leib reißen. Ich befahl ihr, nicht mehr von meiner Seite zu weichen. Die Zeit vertrieb ich mir mit Bogenschießen, ohne die andern dabei aus den Augen zu lassen. Insgeheim wollte ich die Männer wohl ein bißchen beeindrucken und sie von unbedachten Handlungen abhalten. Das gelang mir auch. Teilweise. Wenigstens an jenem Abend. Auch die beiden Römer und die beiden Häduer wollten ihr Glück mit dem Bogen versuchen. Cuningunullus war erstaunlich gut, aber ich war der Beste. Mein einziger Nachteil war nur, daß ich nicht im Laufen schießen konnte. Ich brauchte dafür einen festen Stand.
Am nächsten Morgen sagte der junge Tribun plötzlich, daß er die Nase voll habe von diesem eintönigen Militärleben, ob es hier in der Nähe nicht eine Stadt gebe, wo man sich ein bißchen amüsieren könne. Er sehne sich nach Thermen, Weibern und Wein.
»In der Wildnis mußt du dir angewöhnen, davon zu träumen, Tribun«, sagte der Offizier.
»Verkaufst du mir deine Sklavin, Druide?« fragte der Tribun ziemlich forsch. Ich schüttelte lächelnd den Kopf.
»Und wenn ich es dir befehle?«
Ich schüttelte erneut den Kopf. »Du kannst es mir nicht befehlen, Tribun.«
»Und ob ich das kann«, schrie der Grünschnabel und baute sich vor mir auf. Ich blieb ruhig sitzen.
»Komm her, Sklavin! Wir gehen in den Wald!«
Wanda war verwirrt. Der junge Tribun ließ mir keine Wahl. Ich schaute ihm gelassen in die Augen. »Tribun, es gibt etwas, das noch besser ist als eine germanische Sklavin!«
»Was denn, Druide?«
»Ich kann dir etwas zubereiten, das dich mehr befriedigt als alle Frauen Galliens zusammen. Es ist der Rausch der Götter.«
»Stimmt«, entfuhr es dem Offizier, »Mamurra hat mir davon erzählt. Der Druide kann dir ein Wässerchen mixen, das dich so scharf macht, daß du den Schwanz eines Esels kriegst.«
»Ist das wahr, Druide?«
»Ja, so ist es.«
»Dann fang damit an!« johlte der junge Tribun.
Ich rührte mich nicht von der Stelle.
»Was ist, Druide? Wieso fängst du nicht an?«
»Ich brauche dafür heißes Wasser …«
Der junge Tribun gab dem Sklaven einen Wink.
»… und ich brauche dafür gewisse … Kräuter …«
»Was willst du damit sagen?«
»Ich bin in einer Stunde zurück. Dann werde ich haben, was ich brauche.«
»Du weißt, was auf Desertion steht, Druide!« grinste der junge Tribun.
»Ich bin Cäsars Druide«, antwortete ich. »Meinst du im Ernst, ich würde das Weite suchen, nur weil einer wie du meine Sklavin begehrt?« Ich machte eine kurze Pause und fügte dann hinzu: »Wenn ich wollte, wärst du längst tot! Aber ich habe einen Auftrag aufzuführen. Und den werde ich auch ausführen!«
Ich gab Wanda einen Wink, mir zu folgen. Mit gemischten Gefühlen beobachteten die Männer, wie ich den Lagerplatz verließ. Ich hatte unterwegs häufig Haselsträucher gesehen. Davon würde ich eine Menge brauchen. Die Haselnuß erhöht den Druck des Blutes in den Adern. Aber ich brauchte noch mehr. Kleine rote Beeren. Ihr Saft ist gefährlich. Wenn man sie pflückt, muß man das eine Auge schließen und sie mit der linken Hand abreißen.
»Bist du sicher, daß es funktioniert?« fragte Wanda.
Sie saß auf einem Baumstumpf und beobachtete mich mit tiefen Falten auf der Stirn.
»Klar«, gab ich selbstbewußt zurück, »ich hab's schon mal ausprobiert, das heißt, etwas Ähnliches, nicht ganz vergleichbar, aber doch in der Art …«
Wanda schaute mich sehr skeptisch an.
»Korisios! Wann hast du das ausprobiert? Und mit wem?«
»Sei still, ich muß mich konzentrieren.«
Wanda kraulte Lucia, die sich an ihr Bein schmiegte.
»Siehst du den Felsen dort drüben?«
Wanda nickte.
»Ich werde nachher alleine ins Lager zurückreiten. Eine Stunde später werde ich dann wieder hiersein. Warte hinter diesem Felsen auf mich.«
»Wie du meinst, Herr«, murmelte Wanda. Ihre Zweifel standen ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
Als ich alleine ins Lager zurückritt, waren die Männer sichtlich enttäuscht. Ich tröstete sie damit, daß der Sud besser sei als alles, was sie jemals in ihrem Leben erlebt hätten.
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