Cafe con Leche
angeht, ist in meinem
Geiste die letzte Kurve, denn ich sehe uns schon im Krankenhaus liegen. Lieber
Gott, wir sind doch sicherlich nicht den ganzen Weg bis Santiago gepilgert, um
jetzt hier zu sterben. Bestimmt nicht!
Ich
spüre Christines Hände an meiner Rückenlehne. Sehr wahrscheinlich hat sie
genauso eine Todesangst wie ich. Vielleicht besänftigt ein Gespräch seinen Fuß
und so fange ich an zu reden. Wieder mit Händen und Füßen. Irgendwie verstehen
wir uns und nun habe ich auch das Gefühl, dass er bedächtiger fährt. Aber ein
schielender Blick auf seinem Tacho bestätigt mein Gefühl nicht. So kann ich nur
noch auf Gott vertrauen und hoffen, dass wir heil ankommen. Ich weiß nicht, wie
lange wir unterwegs waren, aber das Glücksgefühl, Melide unbeschadet erreicht
zu haben, verspüre ich heute noch, wenn ich daran denke. Mein Gott, das war ja
fast wie ein Himmelsfahrtskommando!
Er
lässt uns in Melide an einer Tankstelle heraus. Froh, dem flotten Gefährt
entsteigen zu können, bedanken wir uns. Chris will in die Tankstelle. Wir haben
kein Wasser mehr und sie will zwei Flaschen kaufen. Ich bleibe an der Straße
stehen und strecke den Daumen in die Höhe. Chris will gerade die Tankstelle
betreten, als ein riesiger Truck am Straßenrand anhält.
„Christine!”,
rufe ich. „Komm zurück! Ein Truck hält an.”
Der
Fahrer, wohl erfreut, mich alleine zu sehen, winkt. Aber da ist ja auch noch
meine Tochter! Nicht, dass er böse guckt, als er auch noch Christine sieht.
Doch sein Strahlen schwindet ein wenig aus seinem Gesicht. Trotzdem winkt er
uns beide zu sich hoch. Chris setzt sich nach vorne, ich gehe auf die hintere
Sitzbank, die auch für den Fahrer als Bett dient. Dann beginne ich das Gespräch
und neugierig, wie ich als Frau nun mal eben bin, frage ich ihn nach seinem
Namen. Aha, der Fahrer heißt Fernando, ist Portogiese und kann sogar ein wenig
Englisch.
Wenn
die Polizei den Truck anhält, solle ich mich auf die Bank legen, damit ich
nicht gesehen werden kann, gibt Fernando mir mit Händen und Füßen zu verstehen.
Lkw-Fahrer dürfen in ganz Europa nur einen Beifahrer mitnehmen. So lautet die
Bestimmung, meint Fernando.
Aha,
und schon wieder etwas dazu gelernt!
„Wir
sind Peregrinos. Hija y madre (Tochter und Mutter). Wir müssen nach Deutschland
trampen. Unser Geld reicht für einen Rückflug nicht mehr aus. No dinero!”
„Ah!
Peregrinos aus Alemania?”
„Sí,
sí“, sagt Chris.
Fernando
wird hellhörig. „Morgen fahren zwei Fahrer aus der Firma, in der ich arbeite,
mit ihren Trucks nach Alemania. Genauer, nach Mayen-Koblenz. Ich frage meine
Kollegen, ob sie euch mitnehmen können.”
„Das
wäre ja fantastisch! Stell dir vor, wir könnten mitfahren”, sage ich aufgeregt
zu Chris.
Fernando
nimmt sein Handy und telefoniert laut palavernd, wie das hier in Spanien so
üblich ist, ins Telefon hinein. Dann legt er auf. Er zuckt mit den Schultern.
Ich wage vor lauter Anspannung nicht zu sprechen. Kurze Zeit später schellt
sein Handy. Das laute Palavern geht weiter. Er legt wieder auf. Stille in der
Kabine. Nur das Brummen des Motors ist zu hören. Wie gebannt starre ich
Fernando an. Nochmals ein Schellen. Das Telefonat ist kurz und Fernando grinst
uns an. Und jetzt geschieht für Chris und mich ein Wunder!
Morgen
früh gegen neun Uhr starten seine beiden Kollegen nach Deutschland. Es klappt!
Wir können mitfahren! Allerdings müssen wir dann voneinander getrennt fahren,
weil ja nur ein Beifahrer in einem Lkw mitfahren kann. Er will jetzt zur Firma
fahren, von wo die beiden Lkws morgen starten.
Christine
und ich haben jetzt nicht viel Zeit, darüber zu diskutieren, ob wir uns nun
trennen wollen oder nicht. Wir entschließen, erst einmal mit zur Firma zu
fahren. Wir danken Fernando und harren nun der Dinge, die da kommen.
Unsere
Reise mit Fernando geht jetzt nicht mehr Richtung Osten, nein, wir fahren circa
zweihundert Kilometer südlich, immer Richtung Portugal. Es dämmert schon, als
wir endlich den kleinen Ort Vilamartín de Valdeorras erreichen. Portugal ist
einhundert Kilometer von uns entfernt. Die beiden Trucks nach Deutschland
stehen auf einem Parkstreifen bereit. Fernando stellt seinen Truck auch dort ab
und gibt uns zu verstehen, dass wir die Nacht im Führerhaus verbringen können.
Es gibt über der Sitzbank noch ein Klappbett. Er will in seinem Pkw schlafen.
„Super,
Chris! Wir haben jeder ein Bett!”, frohlocke ich in meiner Naivität.
„Ich
will noch etwas
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