Cafe con Leche
hat wohl eine
Magen-Darminfektion, denn sie muss auch öfters hinaus in die Dunkelheit. Sie
kann in ihrer Not nichts dafür, aber jetzt haben wir die Schafsköttel auch im
Zelt. Die Stirnlampe auf dem Kopf suche ich nach den Tabletten, die uns Georg,
unser netter Apotheker, nebst Pflaster und anderen Medikamenten für den Fall
der Fälle mitgegeben hat.
Aha,
Imodium! Das wird wohl das Richtige sein. Chris hat Anstrengung, die Tablette
zu schlucken. Drei Minuten später sind Kopf und Tablette draußen.
„Mir
ist so kalt”, wimmert sie. Sie zittert wie Espenlaub.
„Lieber
Gott. Bitte! Lass bald morgen werden!”, flehe ich laut. „Lass uns diese Nacht
einigermaßen gut überstehen!”
Ich
weiß nicht, wie lange wir so sitzen. Für mich ist das eine halbe Ewigkeit.
Christine mag sich gar nicht hinlegen, so schlecht ist ihr. Irgendwann kriecht
sie in ihren Schlafsack. Wir liegen Bauch an Rücken, wie Fische in einer
Konservendose. Ich versuche, sie so ein wenig zu wärmen. Zitternd vor Kälte
schlafen wir dann doch irgendwie ein.
Aber
Schafsgetrampel, Geblöke und das Bimmeln der Glöckchen lassen mich wieder wach
werden. Es ist immer noch dunkel. Stockdunkel! Christines Atem geht zwar
schnell, doch sie schläft.
Schlaf!
Schlaf bis morgen durch! Dann schaffen wir es bestimmt bis zu einem Arzt!
Die
Braunbären, die von der französischen Regierung, oder war es die Spanische, in
den Pyrenäen ausgewildert wurden, kommen mir in den Sinn. Zehn an der Zahl! Nun
sind die Pyrenäen ja recht groß, aber was, wenn die Bären gerade hier
herumtollen und wir besser riechen als die Schafe? Oh mein Gott! Bär, ick hör
dir trapsen! Frierend liege ich da und habe Angst. Ich will nicht aufgefressen
werden! Mein ganzer Körper ist angespannt. Mir ist mulmig und ich lausche
angestrengt in die Finsternis. Das Einzige, was ich höre, ist das Gebimmel der
Schafsglocken. Die können auch nicht schlafen!
Schon
schicke ich das nächste Stoßgebet zu Gott. Lieber Gott! Bitte lass die Bären da
bleiben, wo sie sind! Schafsgetrampel und Glockengeläut reichen doch vollends!
Ich
versuche zu meditieren. Meine Beine werden müde, meine Arme werden müde... Mich
selbst, so zu beruhigen, schlafe ich dann doch noch ein.
27. Juni 2008
Immer
noch in den Pyrenäen
Hoch in den Pyrenäen
Hurra, wir leben noch!
Mein Flehen ist erhört worden. Christine hat den Rest der Nacht
durchgeschlafen. Sie sieht etwas blass aus, fühlt sich aber stark genug, um
weitergehen zu können. Wieder rollen wir unser nasses Zelt zusammen und packen
die feuchten Sachen in unsere Rucksäcke. Nichts wie weg, von diesem
ungemütlichen Flecken Erde!
Ein
kleiner Anstieg, dann wird es flacher. Wir verschwinden hinter einer Bergkuppe
und der eisige Wind lässt nach. Der Pfad ist durch den vielen Regen so
aufgeweicht, dass ich knöcheltief im Matsch einsinke.
So
ein Mist! Meine Schuhe sehen aus, als sei ich in Kuhfladen getreten. Weiter,
nur schnell weiter, durch diese Matsche! In der Ferne sehe ich auf der
spanischen Seite die Pyrenäen in der Sonne liegen. Ich will nach Spanien! Ich
will in die warme Sonne! Bloß nicht mehr frieren! Unser Weg führt uns zu einem
großen Wald. Anscheinend geht es nun nur noch runter.
In Spanien lacht die
Sonne
„Juchu ,” rufe ich Christine zu. „Wir haben es geschafft. Gleich
geht’s bergab!”
Vom
Schäfer haben wir gestern erfahren, dass der Weg nach Roncesvalles hinunter
durch einen Wald führt. Wir freuen uns auf den Abstieg. Sogar mein Rucksack
fühlt sich plötzlich leichter an. Am Waldesrand angekommen, schaue ich auf
einen steilen Waldweg hinab.
„Da
sollen wir runter? So steil? Das ist ja wie bei der Abfahrt in Kitzbühl auf der Streif! Das ist was für Hermann Meier oder andere
Abfahrtsläufer. Die könnten hier gut runter brettern!”
Chris
sagt nichts dazu sondern lässt ihre stöhnende Mutter einfach stehen. Sie
beginnt mit dem Abstieg. Sich auf ihren Stöcken stützend, geht sie peu a peu
los. Ich hinterher.
„Chris!
So wie du daher läufst, siehst du wie eine alte Oma aus”, rufe ich ihr zu und
muss über diesen Anblick lachen. Christine findet das gar nicht komisch. Sie
hat allerhand damit zu tun, nicht zu stürzen. Mir vergeht beim Abstieg auch das
Lachen! Die Knie gebeugt, gehe ich langsam, Schritt für Schritt, den Weg
hinunter. Immer auf den Boden guckend, kämpfe ich mich gegen die Steilschräge,
um ja nicht ins Stolpern zu geraten. Jeder Schritt ist
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