Cafe con Leche
die Nacht neben ihr schlafen und bin sofort
da, wenn sie mich braucht. Mein noch leeres Tagebuch zur Hand schreibe ich unsere ersten Erlebnisse nieder. Die Konzentration nach
dieser Strapaze fällt mir schwer, aber ich muss mir Notizen machen, denn sonst
vergesse ich meine Eindrücke.
Der
Schlafsaal füllt sich. Um zweiundzwanzig Uhr wird das Licht automatisch
ausgeschaltet.
Es
war ein anstrengender Tag. Besonders für Christine, die so gut durchgehalten
hat. Morgen ist ein neuer Tag! Über diesen Gedanken fallen mir auch schon die
Augen zu.
28. Juni 2008
Roncesvalles
— Burguete
Um halb fünf Uhr
morgens höre ich im Halbschlaf von irgendwo ein Telefon läuten. Es klingelt
unaufhörlich.
Wieso
geht denn da keiner ran ?, denke ich und meine Laune
sinkt. Es läutet weiter und dann ist es mit meinem Schlaf vorbei. Das ist gar
kein Telefon !, geht es mir durch den Kopf. Da läutet
irgendwo ein Handy! Wieso in aller Welt klingelt morgens um halb fünf Uhr ein
Handy? Rascheln ist zu hören, dann leuchtet eine Taschenlampe auf. Wieder ertönt
ein anderes Handy, dessen Klingeltöne mich an Qui-Gong erinnern.
Was
machen die hier in aller Herrgottsfrühe? Es wird unruhig im Schlafsaal.
Geflüster ist zu hören. Rucksäcke werden gepackt und Pilger verlassen ihr
Quartier.
Mitten
in der Nacht wollen die schon los? Es ist doch noch dunkel. Die können doch
draußen noch gar nichts sehen! Ich drehe mich nochmals auf die andere Seite.
Vielleicht kann ich ja wieder einschlafen. Doch daraus wird nichts! Um sechs
Uhr schaltet sich das Licht in dem großen Schlafsaal automatisch ein. Chris ist
mittlerweile auch aufgewacht. Unsere Nacht ist vorbei! Das Aufstehen fällt mir
schwer.
„Wie
geht es dir?”, frage ich.
„Nicht
so gut”, kommt als Antwort zurück.
„Ich
glaub, ich muss wieder brechen.” Schon ist sie auf dem Weg zur Toilette.
In
meiner Verzweiflung wende ich mich an die Herbergsmutter.
„Gehen
Sie doch mit ihr zum Notarzt. Der ist in Burguete. Circa vier Kilometer von
hier entfernt”, sagt mir die Herbergsmutter in ihrem holländischen Akzent.
„Wie
kommen wir denn nach Burguete?”, frage ich etwas hilflos zurück.
„Es
fährt ein Bus dorthin”, sagt sie. „Die Haltestelle ist neben dem Restaurant.”
„Es
ist Wochenende. Fährt da überhaupt von hier ein Bus?”
„Vielleicht.
Versuchen sie es einfach.”
„Kann
sie denn nicht für einen Tag in dieser Herberge bleiben? Vielleicht geht es ihr
morgen schon wieder besser”, frage ich zaghaft in der Hoffnung, sie möge
bejahen.
„Nein!
Dass können wir nicht machen! Die Herberge schließt morgens um acht Uhr. Da
müssen alle Pilger raus sein, damit wir mit den Reinigungsarbeiten beginnen
können.”
Kleinlaut
und verzagt bedanke ich mich und gehe zu den Toiletten. Chris, die zur Tür
heraus kommt, sieht blass aus. Wie ein Gespenst!
„Armes
Schätzchen. Wir können nicht hier bleiben. Wir müssen zum Arzt nach Burguete.
Zieh dich warm an! Vielleicht fährt ein Bus. Lass uns die Rucksäcke nehmen. Wir
gehen!”
Draußen
ist es noch recht kühl. Doch der blaue Himmel verheißt gutes Wetter. Eine
Bushaltestelle finde ich nicht in diesem Ort und so stellen wir uns zum Trampen
an die Straße. Es kommen selten Autos vorbei und wenn, halte ich den Daumen
hoch.
„Mir
ist so schlecht, Mama!” Christine hält sich die Hände vor den Bauch.
„Ich
kann nicht mehr stehen”, sagt sie halb weinend. Ich muss mich auf die Isomatte
setzen.”
Mein
Gott! Mein Kind sieht total krank aus! Wie soll das nur weitergehen?
„Tu
das”, sage ich ihr. Setz dich ruhig auf die Isomatte. Hoffentlich kommen noch
ein paar Autos und hoffentlich hält überhaupt eins an!”
Kaum,
dass Christine sitzt, beginnt sie zu weinen. „Mama, ich kann nicht sitzen. Mir
ist so schlecht.”
Ach
herrje! Ihr geht es so schlecht, dass sie sich hinlegen muss. Mir bricht es
fast das Herz, sie so hilflos dort liegen zu sehen. Wie ein Häufchen Elend auf
ihrer Isomatte am Straßenrand, der auch noch im Schatten liegt. Wir frieren! In
der Ferne höre ich ein leises Brummen. Lass das bitte ein Auto sein, hoffe ich
innig. Und dann, oh Wunder, kommt wirklich ein Auto. Ich halte den Daumen hoch,
und als sich der Wagen nähert, beginne ich zu hüpfen und hektisch zu winken.
Unglaublich! Das Auto hält zehn Meter hinter uns an. Ich renne hin und öffne
die Beifahrertür.
„Hola”,
sagt ich hektisch. „Buenos días. Meine Tochter ist krank, können Sie uns
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