Café der Nacht (German Edition)
schienen. Unsicher verließ er seinen wackeligen Barhocker und stellte sich erstmals hinter den hohen Tresen. Sein Herz schlug heftig. Es kam ihm vor, wie ein feierlicher Moment. Zu seinem Glück war die Aufmerksamkeit der Gäste so auf die noch immer tobende Prügelei fixiert, dass niemand auf die Idee kam, sich etwas zu trinken zu bestellen.
„Wer ist das?“, fragte er Merlyn leise, als Rufus den jungen Mann gewaltsam von seinem gebeutelten Gegner wegzerrte und wieder auf die Beine hievte. Aggressiv versuchte er nochmals auszubüxen. Doch das, was zuvor zwei ausgewachsene Männer nicht hatten vollbringen können, nämlich diesen zähen Temperamentsbolzen zurückzuhalten, schaffte Rufus mit einer Hand, und das ohne erkennbare Anstrengung.
Merlyn folgte Maxims Blick und lächelte verschmitzt. Er schien seinen Herzschmerz für einen Moment vergessen zu haben. „Das? Das ist Dean Monroe, unser Enfant terrible . Die meisten nennen ihn Monroe. Schauspieler und Kabarettist, ein mörderisches Talent. Schrecklicher Kerl, ein unverbesserlicher Herzensbrecher. Man muss die Menschheit vor ihm warnen. Natürlich vergöttern wir ihn alle.“
Maxim musste lächeln. Dass Monroe ein Herzensbrecher war, erstaunte ihn bei dessen blendendem Aussehen nicht im Geringsten. Er bemühte sich tunlichst, nicht allzu interessiert zu wirken, doch sein Herz klopfte heftig und schnell. „Wen muss ich hier sonst noch kennen?“
„Wie wär’s mit dem Rest unserer Mitbewohner? Dir ist Donna oben begegnet?“ Er lächelte, als er Maxims bändesprechenden Gesichtsausdruck sah. „Ja, ich weiß, aber keine Angst. Wenn du sie erst kennst, wird sie zwar nicht netter, aber das wird dich dann nicht mehr stören. Sie kümmert sich tagsüber mit dem Kätzchen ums Kaffeehaus.“
„Mit einem Kätzchen“, wiederholte Maxim verwundert.
Merlyn wies auf eine junge Frau, die auf einen Stuhl gestiegen war, um das inzwischen glücklich abgeebbte Kampfgetümmel besser verfolgen zu können. Ihr gewöhnliches Gesicht versuchte sie mit greller Schminke aufzupeppen. Sie war ein molliges, schwerfälliges Ding und besaß ziemlich aufregende Kurven, die sie offensichtlich auch gerne herausstellte.
„Rufus ist der geborene Barkeeper. Da wirst du vom Besten lernen.“
Maxim nickte, froh, etwas mehr über seinen ersten, nagelneuen Job zu erfahren. Dann kam Merlyn auf die Pensionsbewohner zurück. „Fidelikus Schauder wirst du nur tagsüber antreffen. Er ist Maler und ein ziemlicher Kauz. Und dann wäre da noch Nona.“ Ein Strahlen erleuchtete das vorhin so tieftraurige Gesicht. „Die leider zurzeit auf Reisen ist. Oh je, ich glaube, es ist jetzt schon bald ein Jahr. Sie ist Sängerin, Jazz und Chansons. Ein ganz heller Stern. Höchste Zeit, dass sie wieder zu uns nach Hause kommt.“
Rufus kehrte zurück, den berüchtigten Dean Monroe im Schlepptau. Als Maxim sich unversehens dem markanten, bildhübschen Raufbold gegenübersah, ergriff ihn eine flaue Unsicherheit, sein Puls beschleunigte. Monroe sah fast aus wie ein Filmstar, schön, ohne dabei glatt oder makellos zu sein. Und dann diese unglaublich intensiven, grünen Augen. Augen, die zu alt waren für sein junges Gesicht, als hätten sie schon zu vieles gesehen, als wüssten sie, was das Leben wirklich ist. Rätselhaft und aufregend. Maxim hatte noch nie einen Schauspieler kennengelernt, doch Monroe besaß eine Haltung, welche sein Metier sofort preisgab. Fast unverschämt selbstbewusst, wusste er zweifellos ganz genau, welche Wirkung er besaß. Er konnte höchstens ein paar Jahre älter sein als Maxim. Und doch sah man ihm sofort an, dass er bereits doppelt so viel gelebt hatte.
„Danke, Maxim.“ Rufus nickte ihm kurz zu und löste ihn wieder ab. Fast ungern verließ Maxim seine Stellung, während Monroe sich schwer auf den Platz neben Merlyn fallen ließ. Es war offensichtlich, dass das Glas, das Rufus ihm kommentarlos hinstellte, weder seinen ersten, noch seinen letzten Schluck hochprozentigen Alkohols an diesem Abend enthielt.
„Eis?“, fragte der Barkeeper sachlich, einen Blick auf Monroes rotwerdende Handknöchel werfend, doch der winkte nachlässig ab. Keine Spur mehr von brennendem Zorn. Im Gegenteil, er wirkte vollkommen gelöst, als wäre die Prügelei ein notwendiges Gewitter gewesen, um die Wolken vom Himmel zu treiben.
„Heh, Monroe“, wandte sich unvermittelt ein dünner Blonder auf dem nächsten Barhocker zu ihm um. Er trug ein seidenes Halstuch und wirkte blasiert, näselnd.
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