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Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Julieva
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Hilfsbarkeeper bleiben. Irgendwann werde ich mir wohl einen richtigen Beruf suchen müssen. Etwas Ernsthaftes.“
    Sie lächelte. „Schon seltsam. Wir leben in einer Gesellschaft, die Künstler zwar bewundert, aber die Kunst für brotlos hält. Da sind all diese wohlmeinenden Menschen, die meinen, man sollte besser einen soliden Beruf ergreifen.“ Eine der beiden Bienen kam herangeschwirrt und ließ sich auf Vidas Untertasse nieder. Sie betrachtete das pelzige Insekt und stellte ihre Tasse auf der weißen Tischplatte ab. „Dabei ist die Basis von Kunst Unvernunft. Es sind immer die unvernünftigsten Künstler, die die größten Meisterwerke schaffen. Stell dir vor, Schiller hätte auf seinen Vater gehört und wäre Regimentsarzt geblieben. Oder Michelangelo hätte sich wegen seiner Zweifel nie an die Sixtinische Kapelle gewagt.“
    „Aber es ist gar nicht so leicht, unvernünftig zu sein.“
    „Gegen den Strom zu schwimmen ist immer gefährlich“, meinte Vida versonnen. „Der Weg des Künstlers ist riskant, weil es die bewusste Entscheidung für ein anderes Leben ist, als das von der Gesellschaft als normal erachtete. Das ist oft schwer zu ertragen.“
    „Aber ich bin kein Künstler. Ich werde nie einer sein.“
    „Wer sagt, dass du das sein musst? Du redest von Leidenschaft. Dann such dir nichts Solides. Such dir etwas, für das dein Herz wirklich schlägt.“
    Maxim lächelte schief. „Und dann werde ich glücklich?“
    „Dann wirst du dich mit einem Haufen Problemen herumschlagen müssen, die andere Menschen niemals haben werden. “ Vida schmunzelte. Wieder ernst werdend fügte sie hinzu: „Aber du wirst nie das Gefühl haben, dein Leben zu vergeuden. Du wirst immer wissen, weshalb du tust, was du tust.“
    Maxims Herz schlug heftig. Sein Gegenüber lehnte sich vor, ein unergründlicher Ausdruck in den klaren Augen. „Du wirst wissen, was du willst, wenn die Zeit dafür reif ist.“ Wie auf ein geheimes Signal erhob sich Vidas kleine Biene in die Lüfte und schwirrte summend davon.
     
    * * *
     
    Rufus fand Dela hinter ihrem überquellenden Schreibtisch im Arbeitszimmer. Die Verwaltung von Café und Pension machten nur einen Bruchteil von ihren langen Tagen aus. Dela war involviert in so viele Förderprojekte und Kunstkreise, dass er sich gelegentlich fragte, wie sie überhaupt je Zeit zum Ruhen fand. Was sie betraf, war ihr unermüdliches Engagement nicht weiter erwähnenswert. Den wenigsten war klar, welch außergewöhnliche Frau dieses unkonventionelle Haus unterhielt. Kunst war das Fundament ihres Seins, das, was sie atmete, was sie genoss, was sie bewegte. Dela streifte musengleich durch Künstlerleben, stets gebend, nie verlangend, unbemerkt und kraftvoll zugleich.
    Ihr entrückter Gesichtsausdruck verriet ihm, sie war in Gedanken Meilen entfernt. Als Rufus herantrat, bemerkte er das Foto ihres Sohnes in ihrer Hand. Sie hielt es behutsam, zärtlich.
    „Ich weiß, ich wiederhole mich, aber du solltest ihn suchen.“
    Dela sah rasch auf. Offensichtlich hatte sie ihn nicht zur weit offen stehenden Tür hereinkommen hören. Delas Türen waren nie verschlossen. Sie lächelte gedankenverloren. „All die Jahre wollte ich das tun.“
    „Was hält dich davon ab?“
    „Ich frage mich, was er für ein Leben lebt. Was, wenn er gar nicht weiß, dass er adoptiert wurde? Wie kann ich mich einfach in seine Welt drängen?“
    Rufus zuckte die Schultern. „Er braucht ja nicht zu wissen, wer du bist.“
    Dela nahm einen tiefen Atemzug und legte das Bild beiseite. „Hab Geduld mit mir, Rufus. Ich bin noch nicht soweit.“
    Er nickte. Es wunderte ihn, seine sonst so tatkräftige Chefin so zögerlich zu erleben. Doch er kannte nur eine Momentaufnahme aus ihrer Geschichte. Es war nicht an ihm, sich ein Urteil über ihr Handeln zu bilden. Delas geheimnisvolles Leben war für alle, die ihr näher standen, ein Kaleidoskop aus kleinen Details, die sich, wann immer sie etwas Neues preisgab, zu einem neuen Farbenspiel anzuordnen schienen.
    „Was gibt es?“, wandte sie sich wieder routiniert ihrer Arbeit zu.
    Er legte ihr ein Schreiben hin. „Ich brauche deine Unterschrift.“
    Sie überflog es kurz, setzte ihre feste, entschlossene Signatur darunter und reichte es mit einem Lächeln zurück. „Es ist wohl wieder an der Zeit, dich daran zu erinnern, dass du dir seit Jahresbeginn noch nicht einen Tag freigenommen hast, mein Lieber.“
    Rufus’ verschlossenes Lächeln war nur eine Andeutung. Er erwiderte

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