Café der Nacht (German Edition)
kleine Schmusekatze. Er wollte am liebsten sein Gesicht an ihr weiches Haar legen und ihren Duft schnuppern. Er folgte Nonas Blick, der erneut zu Monroe wanderte. Monroe zwinkerte ihr zu und Nona lachte, schüttelte ihr Haar. Wieder ergriff Rufus das ungute Gefühl. Monroe flirtete mit allem, was zwei Beine hatte, das war nichts Neues, das hatte nichts zu bedeuten. So war er eben. Doch obwohl sie das ganz genau wusste, schien Nona die Augen kaum von ihm lassen zu können. Unwillkürlich drückte Rufus sie fester an sich.
Sie sah unbeschwert auf und lachte ihn an. „Es ist so schön, wieder bei euch zu sein!“
Wunderkinder
Maxim konnte Nona vom ersten Moment an gut leiden. Sie hatte freundliche Augen und ein offenes Lächeln, dem kaum zu widerstehen war. Während sie erzählte, unterbrach sie sich immer wieder selbst, um anekdotische Anmerkungen zu machen. Ihre Reiseschilderungen waren so lebendig, dass die eigenen Gedanken den ihren lustig hinterherflatterten, gerade als ob sie alles selbst miterleben wollten. Es war beschlossene Sache, dass Nona sofort ihr früheres Engagement im Varieté wiederhatte. Hummelig war über ihre Rückkehr so begeistert, dass er eine Lokalrunde schmiss, was im Café der Nacht kein Ding für Knauserige war.
Später an jenem Abend, als es ruhiger geworden war, wurde Nona genötigt, für sie zu singen. Merlyn setzte sich ans alte Klavier, ließ die schlanken Pianistenfinger zur Einleitung über die abgenutzten Tasten gleiten, und Maxim war erstaunt, welch Klang sich von einem Könner aus dem ramponierten Instrument herausholen ließ. Dann begann Nona The Way You Look Tonight zu singen, und im riesigen Kellergewölbe wurde es mäuschenstill. Eine kristallklare Nachtigallenstimme von unvergleichlicher Leichtigkeit und Wärme erfüllte mühelos den Raum. Maxim war augenblicklich verzaubert und ergriffen. Nona war phantastisch, makellos, unverwechselbar. Sie lebte die Musik, den Song, übertrug ihren Genuss auf die gefesselte Zuschauerschar. Da wusste selbst das Kätzchen nichts zu lästern und musste zugeben, „Die ist ja noch viel besser geworden!“
Die Heimkehr der verlorenen Tochter wurde gefeiert, bis der trübe Morgen fahl durch die Kellerfenster herunterspähte.
Als Maxim sich am Folgetag erstmals mit Nona allein unterhalten konnte, stellte sich heraus, dass sie eine Gemeinsamkeit hatten. Sie war ganz in der Nähe seiner Heimat Bayreuth aufgewachsen.
„Hat dich die Oper nie gereizt?“, fragte er, als sie unweigerlich auf die Festspiele zu sprechen kamen.
Nona zeigte ihr bezauberndes Lächeln. „Doch, für eine Weile schon. Ich wollte unbedingt eine Königin der Nacht sein!“ Sie lachte. „Aber während der Gesangsausbildung habe ich angefangen, meine eigenen Chansons zu schreiben. Im Varieté kann ich zwar nicht viele davon bringen. Das Publikum kommt, um Klassiker zu hören. Aber das ist nur eine Station auf dem Weg.“
„Du wirst es zweifellos schaffen. Wenn das nicht klappt, dann stimmt irgendwas nicht mit dieser Welt.“
Nona strahlte. „Dankeschön! Ich werde auf jeden Fall nie aufgeben, das ist klar. Es ist mein Traum. Nichts ist wichtiger.“
„Auch nicht deine Freunde?“
„Oh, ich liebe sie. Das ist meine Familie. Du ahnst nicht, wie sie mir gefehlt haben.“ Nonas schönes Gesicht bekam einen schwärmerischen Ausdruck. „Aber so einen Traum kann man nicht einsperren.“ Sie lächelte, fast entschuldigend.
„Warum bist du weggegangen?“
„Ich weiß nicht. Für eine Weile hatte ich das Gefühl, ich würde mich selbst verlieren.“ Sie lachte, wie um die Ernsthaftigkeit, die der Gedanke auf ihr Gespräch warf, wegzuwischen. „Wusstest du, dass Merlyn ein Wunderkind ist?“, wechselte sie abrupt das Thema.
„Ein Wunderkind?“
„Er hat schon als Neunjähriger Klavierkonzerte gegeben. Große Konzerte.“
Maxim war verblüfft. „Das hat er mir nie erzählt.“ Dass Merlyn seine Begleitparts bei Hummelig exzellent spielte, war ihm, der mit dem Klavierspiel seiner Mutter aufgewachsen war, sofort aufgefallen. Doch etwas anderes als das dortige Jazz- und Chansonprogramm hatte er von Merlyn nie gehört. „Aber was tut er dann hier?“
Nona lächelte herzlich, als sie den Kopf schief legte und ihn betrachtete, ein Blitzen in den blauen Augen. „Er selbst sein, denke ich.“
* * *
Merlyn saß mit angewinkelten Beinen auf der breiten Fensterbank seines Pensionszimmers. Fadil schlief tief im schmalen Bett und schnarchte, ein
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