Café Eden - Roman mit Rezepten
sein Doppelkinn wabbelte über Kragen und Fliege. Geblieben von seiner jugendlichen Schönheit war lediglich seine schmale gerade Nase, ähnlich wie die von Matt. Sein Mund war unter einem grauen, buschigen Schnurrbart verborgen, und die einst so fein geschwungenen Augenbrauen wucherten wild. Er war beinahe kahl. Zumindest ist es unwahrscheinlich, dachte Annie, dass Kitty ihr altes Leinwandidol erkennt. Vielleicht weckte nicht einmal der Name Erinnerungen, zumal Kitty meistens in ihrer eigenen, gingetränkten Fantasiewelt lebte.
Er führte sie durchs Haus in die Küche. Ihre Schritte hallten auf den Teakböden in den fast leeren Räumen. Annie war überrascht, dass das Haus so gut wie unmöbliert war, und erneut stiegen Zweifel an Edens Heirat in ihr auf. Das erste Mal hatte sie sie empfunden, als sie mit Afton geredet hatte, die die Nachricht von der mexikanischen Zivilhochzeit mit einem Katholiken noch kühler aufgenommen hatte, als Annie befürchtet hatte.
»Die Küche gehört Ihnen. Ich bin fertig.« Ernesto lächelte sie an und legte die Schürze ab. Er war tadellos gekleidet.
Die Küche der Marchs war riesig, mit Fenstern über der Spüle, die auf einen wunderschönen Garten gingen. Durch die Hintertür gelangte man auf einen geschützten Innenhof mit einem Brunnen. Annie verschlug es die Sprache, als sie sah, dass der groÃe Tisch in der Mitte des Raums bereits mit einer Ãberfülle an Essen beladen war. Fünf weiÃe Ricotta-Torten standen dort, jede mit einem schwungvollen M in Himbeergelee verziert, neben zwei Erdbeerkäsekuchen. Ernesto hatte auch Schüsseln mit Portobello-Salat und eine Auberginen-Oliven-Caponata gemacht. Es gab marinierte Pilze und Bohnen mit Artischockensauce überbacken. Auf einer groÃen Platte lagen mit Käse gefüllte, gebratene rote Paprikaschoten. »Ich koche ganz gerne«, sagte Ernesto bescheiden, »aber die Caponata hat Stella gemacht.«
Â
Um drei Uhr stand Stella im Garten neben ihrem Schwager. Sie warteten im Schatten einer rosafarbenen Rose. Stella sah so aus, als wolle man sie an den Baum binden und erschieÃen. Sie trug ein graues Voilekleid, das immer noch nach den Mottenkugeln roch, von denen sie es gestern befreit hatte. Ihr goldenes Kreuz glänzte auf dem Stoff neben dem weiÃen Rosenbukett, das Annie ihr an der Schulter befestigt hatte.
»Sie sind die Mutter des Bräutigams«, sagte Annie, als sie es am Voile feststeckte, aber ihre Schmeicheleien nützten nichts. Stella verzog keine Miene.
Ernesto hingegen schien sich über sein SträuÃchen aus weiÃen Rosen zu freuen. Seine Fliege war korrekt gebunden; er trug eine Weste, ein Jackett, ein weiÃes Hemd mit goldenen Manschettenknöpfen.
Aber ebenso wie Stella war er entsetzt, als ganze Heerscharen einfielen. Auto um Auto fuhr vor, und Familien mit unruhigen Kindern, schreienden Babys, verlegenen Matronen und Männer, die sich in ihren Sonntagsanzügen sichtlich unwohl fühlten, stiegen aus. Bei der Vorstellung lächelten Stella und Ernesto standhaft. Danach starrten sie die Ankömmlinge einfach nur noch missbilligend an.
Stella murmelte auf Italienisch: » Sie sehen so aus, als kämen sie hauptsächlich, weil es umsonst etwas zu essen gibt. «
» Schau sie dir an «, flüsterte Ernesto. » Die reinsten Promenadenmischungen. «
Natürlich waren nicht nur Vertreter der Familie Douglass da. Auch Annies Eltern waren gekommen, Vartan und Shushan Agajanian; ihre Enkelkinder sahen alle aus wie Annie, dunkel, mit intensiven Augen, schwarzen Haaren und scharfen Gesichtszügen. Vartan und Shushan waren nur Eden zuliebe gekommen und weil sie wussten, dass ihre Tochter Verbündete gegen die Douglass-Sippe brauchte.
Es war ein gemischtes Völkchen, manche Heilige, manche Sünder. Sie hatten sich versammelt, um Braut und Bräutigam willkommen zu heiÃen, das fremde Essen zu probieren und sich ein Urteil zu bilden. Zumindest für einen Nachmittag würden sie ihre internen Streitigkeiten vergessen.
Tom Lance Junior und seine französische Frau trugen ihre gegenseitige Unzufriedenheit so offen zur Schau wie Kriegsorden; wie müde Soldaten rauchten sie schweigend. Ihre drei ungezogenen Töchter stritten sich ständig oder bewarfen die anderen Kinder mit Tomaten von Ernestos sorgfältig gehegten und gepflegten Pflanzen im Garten.
Der Gemüsekrieg endete mit
Weitere Kostenlose Bücher