Café Eden - Roman mit Rezepten
sie weckte in ihm den Wunsch, sie zu beschützen und sie zu nehmen. Annie hingegen war hingerissen von seinem Eifer zu gefallen, und sein Glaube an ihre gemeinsame Zukunft zog sie an. Ernest strahlte eine felsenfeste Gewissheit aus, die in diesen ungewissen Zeiten besonders attraktiv war.
Annie hatte noch nie einen Mormonen kennengelernt. Ernest kannte keine Armenier. Sie hatten beide viel zu lernen.
Ernest hielt bei ihrem Vater förmlich um ihre Hand an. Annie saà neben ihm. Sie hatte sich eine Gardenie ins Haar gesteckt. Vartan Agajanian fragte nach Ernests Religion. Obwohl Vartan den Glauben der armenischen apostolischen Kirche praktizierte, war Annie protestantisch erzogen worden. Ernest sagte, er sei als Mormone aufgewachsen, aber er praktiziere keine Religion und würde sich gerne Annies anschlieÃen. Vartan nahm an, dass Mormonen so etwas Ãhnliches wie Methodisten waren, und Ernest lieà ihm den Glauben.
Vartan fragte, ob Ernests Eltern diese Heirat billigten, und Ernest erwiderte, sie seien begeistert. In Wahrheit erzählte er Kitty und Gideon erst Monate später, dass er verheiratet war. Und in seinem Brief erwähnte er weder Annies Mädchennamen noch ihre ausländische Herkunft. Für Ernest war Annie tatsächlich wie ein fremdes Land: Alles an ihr - vom Duft ihrer Gardenie bis zum Klang ihrer Stimme - brachte ihn zu einem wundervollen Ort weit, weit weg von Fairwell, von St. Elmo, von allem, was er jemals gekannt hatte. Sie war geheimnisvoll und fremd.
Nachdem sie Lamm und Reis und wie Zigarren gerollte Weinblätter mit einer seltsamen, köstlichen Füllung gegessen hatten, saà Ernest im Wohnzimmer der Agajanians und trank schaumigen Kaffee aus winzigen Tassen. Die Tassen waren so zerbrechlich, dass er seine eigene Kraft fürchtete, wenn er sie anfasste. Er genoss die klebrigen Kuchen, die sie servierten, hauchdünn und delikat wie Honig und Rosen. Er bewunderte ihr armenisches Essen, aber er wusste nichts von der uralten armenischen Kultur, ihrem Stolz darauf, die erste christliche Nation gewesen zu sein, auch wenn sie keine Nation mehr waren. Ernest Douglass hatte keine Ahnung von armenischer Kunst, ihrer Literatur, der Musik, den Kirchen. Ihm war lediglich der Ausdruck armenische Hungerleider bekannt, den er allerdings klugerweise nicht verwendete.
Sie wurden von einem Marinepfarrer getraut. Ihre Verlobungszeit hatte drei Monate gedauert, und ihre Flitterwochen bestanden aus einem zweitägigen Ausflug nach Santa Barbara. Dann fuhren sie in Annies Cabrio nach Los Angeles zurück. Ernest ging an Bord der Baroka Sea . Annie bekam einen Job in einer Kunstgalerie, die von Armeniern geführt wurde, die allen Grund hatten, ihrem Vater dankbar zu sein. Sie wohnte bei ihren Eltern und wartete auf Briefe von ihrem Ehemann. Wenn sie eintrafen, zog sie sich zum Lesen in ihr Zimmer zurück, zum Teil, weil er so viele Rechtschreibfehler machte, und zum Teil, weil er seine Gefühle so beredt zum Ausdruck brachte.
Als Tom, Afton und Lil sie an jenem Samstagnachmittag im Haus ihrer Eltern besuchten, lieà Annie sich nicht anmerken, dass sie ihr Misstrauen, ja ihr Entsetzen durchaus bemerkt hatte. Annie erkannte, dass auch sie ein fremdes Land betreten hatte. Ernest jedoch fiel nicht auf, wie spröde die Lances auf seine Braut reagierten. Er war verliebt.
Ernest Douglass war beständig; das war seine groÃe Tugend. Und, wie seine Frau nach dem Krieg entdeckte, zugleich sein groÃer Makel. Nach dem Krieg weigerte sich Ernest, zur Universität zu gehen, wie es so viele andere heimkehrende GIs taten. Stattdessen lernte er bei einer der Schulen, die in Zeitschriften werben, Fernseher zu reparieren. Er machte einen Fernsehreparaturdienst auf in einem neuen Einkaufscenter, das nicht weit von dem Haus entfernt lag, das Annies Eltern für sie und die drei Kinder, die in rascher Folge zur Welt kamen, gekauft hatten.
Hatte er sich erst einmal für etwas entschieden, so lieà Ernest sich durch nichts davon abbringen. Natürlich litt seine Ehe mit Annie darunter. Vartan Agajanian verglich ihre Ehe später einmal mit einem Ochsen und einem Rennpferd, die man gemeinsam vor einen Wagen gespannt hatte. Annie war das Rennpferd, bereit, loszulaufen und mit anderen zu konkurrieren. Der Ochse jedoch ist zufrieden mit seinem Joch. Und der Ochse ist stärker.
Annie, das Rennpferd, blieb mit Ernest verheiratet, lebte mit ihm und den drei Kindern, aber sie
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