Café Luna: Verbotenes Glück
überschreiben. Doch was Daniel jetzt aus Rache womöglich tun würde, das wollte sie sich lieber erst gar nicht ausmalen.
Claus von Heidenthal merkte sehr genau, wie erstaunt seine Angestellten waren, als er überraschenderweise in der Firma erschien. Aber nicht nur seine Anwesenheit an diesem Tage, sondern auch die selbstbewusste Art und Weise, in der er sein Anliegen formulierte, erschien den Mitarbeitern von Comtess Coffee ungewöhnlich. Lange schon nicht mehr hatten sie ihren Chef so ruhig und entschlossen erlebt.
„Ich habe hier einige Unterlagen, die meine Frau mir letzte Woche zur Ansicht gegeben hat“, erklärte er und sah dem Sekretär, dem Prokuristen und dem Chefröster dabei direkt in die Augen. Claus war sich nicht sicher, auf welcher Seite die Männer standen, oder ob nicht wenigstens einer von ihnen als Spion auf der Gehaltsliste seiner Gattin stand. „Bevor ich jedoch meine Unterschrift leiste, möchte ich die dazugehörigen Ordner einsehen, und zwar ohne Ausnahme.“
Jetzt hatte er den Beweis. Herr Cabuhn, der Chefröster, der bereits unter Claus’ Vater bei Comtess Coffee angefangen hatte, konnte sich ein erfreutes Lächeln in Richtung des Chefs nicht verkneifen. Claus wusste, dass er in dem Chefröster einen Mitstreiter gefunden hatte. Der Prokurist Herr Knobsen dagegen wiegte unentschlossen den Kopf hin und her, und Robert, der gut aussehende junge Mann, der seit ein paar Monaten Claus’ Privatsekretär war, zuckte beinahe unmerklich zusammen. Dann jedoch riss Robert sich am Riemen und nickte servil.
„Kein Problem, ich lasse das Gewünschte sofort anfordern“, erklärte er. Claus sah ihn leise lächelnd an. „Ich sprach nicht von Anfordern, mein Sohn. Sie als Sekretär haben doch sicherlich die Möglichkeit, noch in dieser Minute loszugehen und mir die Unterlagen zu holen, oder?“
Robert sah ihn für eine Sekunde überrascht an und verließ dann eilig den Raum. Auch Herr Knobsen wandte sich zum Gehen.
„Einen Moment“, hielt Claus ihn auf. „Ich hoffe, Sie haben am frühen Nachmittag Zeit für mich, denn mit Ihnen beiden möchte ich dann gerne meine Entscheidung besprechen.“
Der Prokurist sah Claus offen an. „Wäre halb zwei eine gute Zeit?“, wollte Herr Knobsen wissen, mit der Hand auf der Klinke. „In dem Fall würde ich nämlich vorschlagen, wir verbringen die Mittagspause gemeinsam. Außerhalb.“
Noch immer konnte Claus sich natürlich nicht sicher sein, wem er trauen konnte und wem nicht. Aber dieser Tag begann besser als gedacht. „So machen wir das“, bestimmte er, „halb zwei am Eingang.“
Herr Knobsen nickte und ging. Claus und der Chefröstmeister blieben allein zurück. Fragend blickte Claus ihn an und sah, wie ein immer breiter werdendes Lächeln das Gesicht des alten Mannes erhellte.
„Wir sehen uns später“, sagte er und zwinkerte Claus zu. „Schön, dass Sie wieder da sind, Herr von Heidenthal!“
Auch der Chefröster verließ das Büro, in dem Claus in letzter Zeit nicht mehr oft anzutreffen gewesen war. Gelöst ließ Claus sich in seinen Schreibtischsessel sinken, als die Gegensprechanlage knackte.
„Herr von Heidenthal,Ihre Frau ist da“, ließ der Jungspund Robert ihn wissen. Claus drückte den entsprechenden Knopf. „Sagen Sie ihr bitte, ich habe gerade keine Zeit. Ich melde mich heute Nachmittag bei ihr.“ Dann ließ er sich zufrieden in den Stuhl zurückfallen und lauschte der Empörung, der Valerie im Vorzimmer Ausdruck verlieh. Nur zwei Sekunden später stand seine Frau in der Tür.
„Was soll das?“, herrschte sie ihn an, doch Claus war vorbereitet. Er nahm die Lesebrille von seiner Nase und sah Valerie gespielt überrascht an.
„Oh, entschuldige, hat dir mein Sekretär nicht ausrichten lassen, dass ich gerade anderweitig beschäftigt bin?“
Valerie bebte vor Wut. Ein Anblick, der Claus normalerweise immer die Treppen hinauf in sein Atelier getrieben hatte, um nicht in ihre Schusslinie zu geraten. Doch die Zeiten waren vorbei. Er hielt ihrem Blick stand.
„Sei mir nicht böse, Liebes“, sagte er gelassen, was Valerie umso mehr verwirrte, „ich sitze gerade noch über ein paar wichtigen Unterlagen. Du weißt schon, es geht um die Vertriebsänderungen, die du mir letzte Woche vorgelegt hast. Ich fürchte, ich brauche noch ein bisschen. Vor drei Uhr wird das wohl nichts mit uns.“ Bemüht entschuldigend zuckte er mit den Schultern. Valerie drehte sich auf dem Absatz um und verließ das Büro.
Um Punkt sechs Uhr
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