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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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namibischen Forschungsergebnissen und den in Gurs gewonnenen Erkenntnissen hoffte der Führer, eine tatsächlich gegebene, genetisch belegbare Rassenhierarchie nachweisen zu können: also den endgültigen Nachweis zu erbringen, dass die Deutschen auf der Stufenleiter ganz oben und die Juden ganz unten anzusiedeln wären.
    Fischer war dabei außerordentlich erfolgreich. Bereits im ersten Jahr entdeckte er mit der Unterstützung einiger hervorragender deutscher Ärzte die DNS: die Grundlage der gesamten modernen Genetik.«
    Simon klappte sein Notizbuch zu.
    »Aber was hat Fischer danach entdeckt?«, fragte Amy. »In seinem zweiten Jahr in Gurs? Diese schreckliche zweite Entdeckung? Worin bestand die?«
    Angus lächelte nicht mehr, seine Miene wurde sorgenvoll.
    »Tja … das ist die große, die alles entscheidende Frage. Und das ist auch, was wir in Kürze herausfinden werden.« Er sah aufmerksam auf die regennasse Straße vor ihnen. »Falls wir noch so lange am Leben bleiben.«

46
     
    Zwanzig Minuten hinter Pilsen kam die Autobahnausfahrt nach Zbiroh. Die Landstraße wand sich zwischen bewaldeten Hügeln und tristen tschechischen Gehöften hindurch. David wollte die feuchte, kalte Luft auf seinem angespannten Gesicht spüren und öffnete das Fenster. Hauptsache, er vertrieb damit seine hartnäckigen Befürchtungen. Er sehnte sich geradezu nach irgendeiner Form von physischem Schmerz - um den seelischen Schmerz zu überdecken. »Dort vorne links.«
    Sie bogen in eine schmale Nebenstraße, die sich um ein letztes Waldstück krümmte, und dann tauchte es vor ihnen auf: Schloss Zbiroh.
    Es war riesig. Ein großer, hässlicher, klassizistischer gelber Prunkbau, der protzig und steif auf einer felsigen Anhöhe thronte. Das Dorf Zbiroh lag wie ein Bauer, der sich vor seinem Lehnsherrn zu Boden geworfen hatte, in der sumpfigen Senke darunter.
    David fuhr langsamer.
    »Und was soll daran jetzt so besonders sein?«, fragte Amy.
    Die Antwort kam von Angus: »Das Schloss ist aus dem Mittelalter und wurde auf mächtigen, von Jaspis durchzogenen Quarzfelsen errichtet. Als die Nazis Böhmen besetzten, stellten sie fest, dass dieses Gestein, Jaspis, Funkwellen sehr gut reflektiert. Deshalb richtete die SS in Zbiroh eine Anlage für die Überwachung des feindlichen Funkverkehrs ein. Und nach dem Krieg machten sich das auch die tschechoslowakischen Streitkräfte zunutze und installierten hier eine Erdfunkstelle zur Überwachung des NATO-Flugverkehrs. Für die Öffentlichkeit ist das Schloss erst seit dem Ende der neunziger Jahre wieder zugänglich.«
    »Aber warum haben die Nazis Fischers Forschungsunterlagen ausgerechnet hier versteckt?«, wollte Simon wissen.
    »Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Im Lauf der Jahrhunderte wurde ein komplexes System von unterirdischen Gängen in den massiven Fels unter dem Schloss gegraben. Doch dann hat die SS bei Kriegsende diese umfangreichen unterirdischen Anlagen komplett zugeschüttet und die Gänge mit Beton gefüllt. Bisher ist es niemandem gelungen, sich da durchzugraben. Auch nicht mit den modernsten Bohranlagen. Die Kommunisten haben es mehrfach versucht, aber ohne Erfolg.«
    Das Schloss blickte großspurig über die Dächer des Dorfs hinweg. Angus fuhr fort: »Natürlich wurden über die Gründe für diese Maßnahme der SS zum Teil die wildesten Spekulationen angestellt. Wozu der viele Beton? Diente er dem Schutz eines geheimen SS-Schatzes? Nicht wenige glauben, dass dort unten das legendäre Bernsteinzimmer versteckt ist. Aber das sind, wie gesagt, alles nur Vermutungen.«
    Darauf trat erst einmal Stille ein.
    »Pskov«, sagte Amy schließlich. »Wir wollten doch nach Pskov fahren. Wegen der Synagoge.«
    Wie sich herausstellte, lag Pskov nur zwei Kilometer weiter, ein trostloses kleines Kaff inmitten flacher Hügel, mit einer schmutzig gelben Kirche, einem kleinen Gasthaus mit einer von Spinnweben überzogenen Neonreklame für Budvar, ein paar alten, maroden Häusern und einem Spar-Supermarkt mit einer Werbung für London Gin. Und damit hatte es sich. Sie brauchten keine fünf Minuten, um die Hauptstraße zu erkunden und wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren.
    Sie setzten sich auf die überdachte Bank einer Bushaltestelle. »Und wo soll Jetzt bitte die Synagoge sein?«, fragte Amy resigniert.
    Der Regen hörte nicht auf; es war ein trister, feuchter Oktobertag. Auf der anderen Straßenseite ließ sich ein alter Hund auf seine Hinterbeine nieder, um sein Geschäft zu verrichten.

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