Cagot
Wirt in holprigem Deutsch dazu erklärte.
»Er sagt … die Tür stammt aus dem Krieg. Sie führt in einen Keller, von dem ein unterirdischer Gang abgeht. Er benutzt den Keller als Lager. Was er dort lagert, will er allerdings nicht sagen. Möglicherweise Diebesgut. Wohin der Gang führt, weiß er nicht. Er hat ihn nie erforscht, dazu hatte er zu viel Angst vor den Kommunisten im Schloss.«
Mit weiteren hundert Euro erkauften sie sich seine Bereitschaft, die Tür zu öffnen - und hinter ihnen wieder zu schließen. Und niemandem etwas davon zu erzählen.
Noch einmal fünfzig Euro, und sie bekamen eine Taschenlampe.
Unter lautem Quietschen ging die Tür auf. David spähte mit deutlichem Unbehagen in das Dunkel dahinter. Wieder so eine winzige Tür, wie die Cagot-Türen. Eine dieser Türen, die eigentlich ihm und seinesgleichen zugedacht waren.
Die ersten Stufen führten zu einem klammen, dunklen Raum voller Spinnweben hinab - und voller brauner und grauer Marlboro-Stangen und Gartenzwerge. Die Pfeife rauchenden oder angelnden Wichte grienten in dem unerwarteten Licht mit knallroten Lippen.
»Wollen wir?« David sah seine Begleiter fragend an. Es kostete ihn Mühe, seine Nervosität zu unterdrücken, denn inzwischen konnte er fast spüren, wie Miguel näher kam. Angelockt von der Stimme seines Blutes.
Die anderen drei nickten, und sie betraten den niedrigen Kellerraum. Der Wirt sah sie ein letztes Mal verständnislos an, als hielte er sie für verrückt, dann schloss er achselzuckend die winzige Tür.
Sofort umgab sie tiefe Dunkelheit, erhellt nur vom schwachen Schein ihrer Taschenlampe. David richtete den Lichtstrahl in den Gang, der von dem kleinen Lagerraum abging. Er führte in undurchdringliches Dunkel.
»Dann mal los.«
Sie wussten, sie müssten etwa zwei Kilometer zurücklegen. So weit war Zbiroh entfernt. Schweigend machten sie sich auf den Weg. Außer dem Geräusch ihrer Schritte auf dem schlammigen Untergrund war nichts zu hören. Niemand sagte etwas.
Schließlich erreichten sie eine weitere Tür. Eine Eisentür. Sie war zu.
David ließ sich gegen die Wand des Gangs sinken. Er spürte die nasskalte Erde an seinem Rücken. Es war ihm egal. »Herrgott noch mal!«, schimpfte Angus.
Simon schüttelte nur genervt den Kopf. David stützte den Kopf in die Hände.
Eine weitere Tür. Lediglich eine weitere Tür. Würde sie sie aufhalten? David dachte an die vielen Türen, durch die er in den vergangenen Wochen gegangen war: die Cagot-Türen, die Tür in der Kirche von Navarrenx, die Tür des Völkermordmuseums, Joses Tür im Cagot-Haus, so viele Türen. Und jetzt noch eine Tür, die ihre Pläne vereitelte. Nur eine einzige letzte Tür, eine Tür zu viel.
Amy machte einen Schritt nach vorn und drückte die Klinke nieder. Die Tür ging auf.
48
Am liebsten hätten sie sich alle gleichzeitig durch die Öffnung gedrängt.
David schwenkte die Taschenlampe über die Ziegelwände des großen dunklen Raums, auf dessen Betonboden zahlreiche Holzkisten gestapelt waren.
Angus blieb vor einer der Kisten stehen und bedeutete David, die Taschenlampe auf sie zu richten. In das Holz war eine Art Wappen eingebrannt, ein großes schwarzes Hakenkreuz in den Klauen eines Adlers. Und darunter stand in Frakturschrift:
Die Fischer-Experimente.
Mit Simons Taschenmesser ließ sich der Deckel der Holzkiste mühelos aufstemmen. Amy hatte im hinteren Teil des Raums eine alte Petroleumlampe entdeckt. Sie drehte den Docht ein Stück heraus und setzte ihn mit einem Feuerzeug in Brand.
Und dann saßen sie eine Stunde lang im Kreis und studierten im Schein der Petroleumlampe die Dokumente aus der Kiste. Mit Amys Deutschkenntnissen, Angus’ Wissen über Biochemie und Genetik und Simons Sachverstand in Politik und Geschichte bildeten sie ein hervorragendes Team.
Als sie schließlich auch die letzten fehlenden Teile der Geschichte zusammengefügt hatten, schrieb Simon alles auf und blickte dabei immer wieder mit zusammengekniffenen Augen auf die Dokumente, die ihm die anderen hinhielten. »Ach, deshalb. Das hat er also entdeckt«, rief Angus.
Schließlich legte er das letzte Schriftstück beiseite und sah Simon an.
»Du bist unser Journalist. Du musst die Geschichte zu Ende bringen.«
Im ersten Moment fehlten Simon die Worte. Es war einfach unglaublich: die Entdeckung, die sie gerade gemacht hatten, die Gefahr, in der sie schwebten. Aber schließlich sagte er, erstaunlich ruhig: »Na schön, wenn ihr meint. Dann wären wir
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