Cagot
starben aus.«
Er hüstelte mit einem Anflug von Betroffenheit. Dann fuhr er fort:
»Dieser jahrhundertelange Aufwärtstrend die jüdische Intelligenz betreffend, gepaart mit der gleichzeitigen genetischen Isolation in den Gettos und Schtetln, hatte zur Folge, dass sich die Juden in kurzer Zeit zu intelligenteren Menschen entwickelten. Das war aber auch mit Nachteilen verbunden. So waren und sind speziell Juden für bestimmte Erbkrankheiten besonders anfällig, wie etwa für das … wie heißt es gleich … Tay-Sachs-Syndrom?«
Angus nickte. Simon wandte sich wieder seinen Notizen zu.
»Aber die Juden waren intelligenter. Diese Syndrome könnten sogar der genetische Preis gewesen sein, den sie für ihre höheren geistigen Fähigkeiten zu zahlen hatten.
Als Fischer dem Führer in Berlin diese erstaunliche Entdeckung mitteilte, sah sich Hitler dadurch in seinen tiefsten Ängsten bestätigt. Bis dahin hatte die Naziführung andere ehrgeizige Pläne mit den europäischen Juden gehabt. Sie wollten sie nach Madagaskar schicken oder in irgendeiner abgelegenen russischen Provinz als intelligente Arbeitssklaven einsetzen. Aber sobald Hitler Fischers Forschungsergebnisse vorlagen, sah er keine andere Wahl mehr, als unverzüglich einzugreifen - solange er noch die Kontrolle über Europa hatte und bevor die intelligenten und andersartigen Juden wirklich anders und überlegen wurden und ihrerseits die Deutschen versklavten.
Deshalb erteilte Hitler 1942 trotz der enormen Kosten und der Einschränkungen, die dies für die deutschen Kriegsbemühungen mit sich brachte, grünes Licht für die Endlösung: die Vernichtung aller europäischen Juden. Hitler glaubte, diese Bedrohung für die arische Rassenüberlegenheit ein für alle Mal aus der Welt schaffen zu müssen.
Aber Hitler machte sich sein Wissen um die Möglichkeit menschlicher Speziation auch anderweitig zunutze; er setzte es als Druckmittel gegen die katholische Kirche ein.«
»Die Mailänder Vereinbarung«, warf David ein.
»Richtig. In einem 1942 in Mailand unterzeichneten Geheimabkommen erklärte sich Hitler bereit, über die menschliche Speziation, die eine enorme Bedrohung für die christliche Lehre darstellte, Stillschweigen zu bewahren, wenn umgekehrt der Papst darauf verzichtete, wegen der Judenvernichtung Kritik an den Nazis zu üben. Von Hitlers Seite war das natürlich reiner Bluff. Er hatte nie die Absicht, Fischers Entdeckung, dass die Juden den Deutschen >überlegen< werden könnten, jemals an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Er wollte nur eines: die Juden ausrotten. Aber der Papst fiel darauf herein. Er schwieg zum Holocaust und unterstützte damit die Deutschen bei ihrem Genozid; die Schande dieser stillschweigenden päpstlichen Komplizenschaft belastet die Kirche bis zum heutigen Tag.«
Simon seufzte und fuhr fort:
»So … zwischen 1944 und 1945 befreiten die Alliierten nach und nach das besetzte Frankreich. Die Nazi-Ärzte, die in Gurs gearbeitet hatten, fürchteten um ihr Leben. Aber sie hatten einen wichtigen Trumpf in der Hand: Fischers wegweisende Forschungsergebnisse.
Eugen Fischer merkte, dass die westlichen Demokratien nicht weniger als die katholische Kirche mit allen Mitteln versuchen würden, dieses Wissen unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit dringen zu lassen - es hätte die Welt in so vieler Hinsicht destabilisiert und zudem den Rassentheorien der Nazis verhängnisvolle Glaubwürdigkeit verliehen. Somit hatten Fischer und seine Kollegen ein wirksames Druckmittel gegen die Alliierten - allerdings nur, solange es ihnen gelang, ihre Untersuchungsergebnisse vor der Vernichtung zu bewahren. Aus diesem Grund beschlossen sie, die Forschungsunterlagen zu verstecken: in den unterirdischen Gängen und Kammern eines schwer zugänglichen SS-Schlosses in Böhmen. Und das war der Grund, weshalb in Zbiroh überstürzt dieser Kellerraum gebaut wurde, während in der Slowakei bereits die Rote Armee einmarschierte.
Der Plan ging auf. Die Ärzte, von denen sich viele grauenhafter Verbrechen schuldig gemacht hatten, drohten damit, ihre Forschungsergebnisse publik zu machen, wenn sie in irgendeiner Weise belangt würden; deshalb wurden sie von den Alliierten rasch entnazifiziert und konnten wieder an deutschen Universitäten lehren. Fischers Unterlagen blieben dem Zugriff der Öffentlichkeit entzogen und wurden nicht bekannt. Die Verschwörung des Schweigens hatte funktioniert. Bis zu einem bestimmten Punkt.
Es gab bei Kriegsende
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