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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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sprangen über einen Bach und gingen hinter einem großen Felsbrocken in Deckung.
    Sie hockten da und rangen nach Atem. Und warteten.
    Davids Herz klopfte wie wild, wie ein Wahnsinniger, der am Gitter seiner Zelle rüttelte; Amys Hand fühlte sich verkrampft und klamm an in seiner Faust.
    Angespannt lauschend, blieben sie hinter den Felsen geduckt. Nur der Wald knisterte leise unter dem trostlosen Regen. Sonst war nichts zu hören. Nebelfetzen trieben zwischen den düsteren schwarzen Lärchen hindurch wie Geister aus einem Märchen.
    In der Ferne wurde das tiefe Brummen eines Autos hörbar. Wahrscheinlich das rote Auto, das nach ihnen suchte. Sein Motor schien niedriger zu drehen; es war nicht allzu weit von ihnen entfernt, irgendwo auf der Straße. David spürte, wie sich Amys Finger fester um die seinen krallten. Die Sekunden schleppten sich dahin, quälend langsam, wie ein Trauerzug. Sie warteten darauf, entdeckt - und erschossen - zu werden.
    Oder noch Schlimmeres.
    Der Motor begann, wieder höher zu drehen. Das Auto beschleunigte. Es entfernte sich, wahrscheinlich den Berg hinunter. Dann trat wieder Stille ein. Erst jetzt wagte David, wieder zu atmen.
    Doch ein einziges Geräusch machte seiner Erleichterung ein abruptes Ende: das Knacken eines brechenden Zweigs.

10
     
    Die alten Frauen sangen durch die Nase, ein an- und abschwellender Gesang aus seltsamen Lauten; halb führte die zittrige Stimme des Manns, der in einem dunklen Anzug vor ihnen stand und rhythmisch mit den Armen fuchtelte, das intensive Summen des fremdartigen Frauenchors, halb folgte sie ihm.
    Sie waren immer noch in Foula, etwa fünfhundert Kilometer von Glasgow entfernt.
    In der Hoffnung, am nächsten Tag mit Edith Tait sprechen zu können, hatten Simon, Sanderson und Tomasky in Foulas einzigem Bed & Breakfast eine unbehagliche Nacht verbracht. Der Inhaber der Frühstückspension, ein Witwer aus Edinburgh, war hocherfreut gewesen über den Zustrom interessanter Touristen - und neuer Opfer, die er zutexten konnte - und hatte sie mit haarsträubenden Schauergeschichten über Foulas Absonderlichkeiten vom Schlafengehen abgehalten, während er ihnen unerbittlich Whisky nachschenkte.
    Er erzählte ihnen von dem deutschen Vogelkundler, der auf der Nachgeburt eines Schafs ausgerutscht war und sich im Fallen an einem Felsbrocken den Schädel zertrümmert hatte, sodass sein Hirn von Schmarotzerraubmöwen gefressen wurde; er schilderte ihnen das Schicksal eines Touristenpaars, das auf das höchste Kliff, die Käme, gestiegen und in die Tiefe gerissen worden war, als einer von ihnen niesen musste.
    Simon ließ alles mit einem unterdrückten Grinsen über sich ergehen; Sanderson dagegen reagierte mit unverhohlenem Sarkasmus: »Die Todesrate für Touristen liegt hier demnach bei wie viel? Fünfzig Prozent?«
    Aber eine Sache gab es doch, die der Journalist ohne Abstriche interessant fand: das gälische Erbe der Insel. Wie ihnen der Pensionsbesitzer erklärte, war Foula so isoliert, dass sich auf der Insel zahlreiche nordisch-gälische Eigentümlichkeiten erhalten hatten, die andernorts fast ausgestorben waren. Die Inselbewohner hatten ihren eigenen gregorianischen Kalender, sie feierten Weihnachten am 6. Januar, und einige Foulaner sprachen noch unverfälschtes Schottisch-Gälisch.
    Das taten sie vor allem in der Kirche, wo die Gottesdienste offensichtlich zu den letzten ihrer Art gehörten, bemerkenswert vor allem wegen des Acapella-Nasengesangs, der sogenannten »Dissonanten gälischen Psalmodie«, wie ihnen der Pensionsinhaber voller Stolz erklärte.
    Und jetzt waren sie tatsächlich in der Kirche, lauschten der nasalen keltischen Heterophonie und warteten auf eine Gelegenheit, mit Edith Tait zu sprechen. Simon war sichtlich beeindruckt von dieser uralten heidnischen Tradition; DCI Sanderson war weniger angetan.
    »Das hört sich ja an wie ein wild gewordener Schwarm irischer Hummeln unter der Dusche.«
    Seine zur Seite gesprochene Bemerkung war deutlich zu laut gewesen. Eine Frau drehte sich um und bedachte Sanderson mit einem strafenden Blick, sang dabei aber unvermindert weiter durch ihre neunzigjährige Nase.
    DCI Sanderson errötete; er erhob sich, zwängte sich aus der Kirchenbank und verließ die Kirche. Simon, der sich dadurch noch stärker als Eindringling fühlte, folgte ihm hastig. Sanderson stand auf dem Friedhof und rauchte eine Zigarette.
    Der DCI warf die Kippe zu Boden, zerdrückte sie unter seinem Schuh und blickte auf den Sneck o’da

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