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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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habe versucht, sie als mein Volk zu betrachten, ich habe mir einzureden versucht, dass sie meine Brüder sind, aber …«
    »Sie haben sich zu sehr geschämt?«
    »Ja.«
    David spürte, wie sich die Logik dieser furchtbaren Geschichte entfaltete.
    »Was haben Sie dann getan, Jose? Ihre Herkunft verleugnet?«
    »Das ist das richtige Wort dafür. Verleugnen. Ja, ich habe mein Blut verleugnet. Weil ich leben wollte. Im Lager waren die Geistlichen und die Nazis zu den Cagots ganz besonders brutal; die Geistlichen nannten sie die Söhne Kanaans, und sie folterten und töteten sie noch unnachsichtiger als die anderen. Deshalb ja, ich wollte wieder Baske sein, nur um mein Leben zu retten. Schließlich war ich als Baske erzogen worden. In meinem Herzen fühlte ich mich immer noch als Baske.«
    »Deshalb gingen Sie zu Eugen Fischer?«
    »Ja, ich ging zu Eugen Fischer und den anderen Ärzten. Ich sagte ihnen, dass ich ihnen helfen würde, wenn sie so täten … wenn sie vergäßen … so täten, als wäre ich kein Cagot; wenn sie mir meine baskische Identität zurückgäben.«
    »Wie?«
    Der alte Mann blickte in das heruntergebrannte Feuer.
    »Ich war damals noch sehr jung, noch keine zwanzig, aber ich war schon ein bekannter baskischer Widerstandskämpfer. Ich hatte einigen Einfluss auf die anderen jungen Basken im Lager. Auf die richtigen Basken.« Sein bitterer Blick hob sich zu David. »Die Basken sind ein sehr tapferes Volk. Rebellisch, unbeugsam. Sie sorgten ständig für Ärger im Lager, lehnten sich gegen die Nazis auf, machten Fischer das Leben schwer, unternahmen Fluchtversuche.« Jose schüttelte den Kopf. »Deshalb bot ich den Deutschen an, als Spitzel für sie zu arbeiten. Ja, ich wurde zum Verräter. Ich sagte Fischer, ich würde mir meinen Einfluss zunutze machen und ihm die Arbeit erleichtern. Ich schlug ihm vor, dass ich die Basken überreden könnte, mit ihm zu kooperieren. Aber nur, wenn er mich aus dem Cagot-Lager holen und mir mein baskisches Blut zurückgeben würde.«
    »Und das hat er dann getan?«
    Wieder erstarb Joses Stimme zu einem Flüstern.
    »Ja, sie haben mich wieder zurückverlegt. Sie taten so, als hätten sie mich versehentlich zu den Cagots gesteckt. Deshalb war ich rehabilitiert, ich war wieder Baske! Und dann machte ich mir meinen Einfluss zunutze. Um Eugen Fischer zu … helfen, diese fürchterlichen Experimente durchzuführen … ich überredete andere Leute, sich von Fischer untersuchen zu lassen. Und so wurde Fischer fast so etwas wie ein Freund für mich. Er erzählte mir sehr viel. Er erzählte mir von den Juden …«
    »Was? Was hat er Ihnen über die Juden erzählt?«
    Jose sah David an.
    »Über die Gründe des Holocaust. Eugen Fischer hat mir erklärt … warum die Deutschen taten, was sie taten. Die Wahrheit über den Holocaust. Das ist alles, was ich Ihnen darüber sagen kann.«
    »Was?«
    Joses Augen flatterten. Fast so, als wäre er im Begriff, einzuschlafen. David nahm an, dass der alte Mann erschöpft war. Diese mörderischen, lang verschütteten Geheimnisse zu gestehen, musste ihn ungeheure Anstrengung gekostet haben. Er ließ Joses Arm los, aber mit dem Verhör fuhr er fort.
    »Jose, Sie müssen mir erzählen, was Miguel mit all dem zu tun hat. Das alles ist doch der Grund, warum Miguel meine Eltern umgebracht hat. Weil er sich seines Cagot-Bluts schämt. So ist es doch, oder?«
    »Ja. Das ist der schlimmste Fehler, den ich je gemacht habe. Als er neunzehn war, habe ich meinem Sohn die Wahrheit gesagt.
    Das hat er mir nie verziehen. Bis dahin war er so stolz gewesen, Baske zu sein. Der große ETA-Kämpfer …«
    »Er war also wütend. Und er glaubte, meine Eltern … würden seine Schande publik machen.«
    »Si.«
    »Und als er herausgefunden hat, dass ich derselben Spur folge, hat er beschlossen, auch mich umzubringen, stimmt’s?«
    Der Wind rüttelte an den staubigen Fensterscheiben.
    »Si, si. So ist es.« Jose verzog das Gesicht. »Aber das ist noch nicht alles… Davido.«
    »Meinen Sie meinen Großvater?« Die Frage hing in der Luft wie die Feuchtigkeit. Ein Dämon, den er austreiben musste. »Sagen Sie, Jose. War mein Großvater … war auch er ein Kollaborateur?«
    »Nein!« Die Antwort kam mit großem Nachdruck. »Ganz und gar nicht! Ihr Großvater war ein guter Mensch. Nein … ich meine Miguel.«
    »Was? Was ist mit ihm?«
    »Es ist etwas Unerklärliches mit meinem Sohn. Sie müssen sehr vorsichtig sein. Manchmal habe ich schon mit dem Gedanken gespielt, ihn

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