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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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Basken verbrannt wurden?«
    Jose sah David mit unendlicher Traurigkeit an und sagte: »Nein.«
    David ließ die Schultern sinken. Das Geheimnis entzog sich ihm immer noch. Inzwischen war er wütend. Wütend auf sich selbst, weil er es nicht lösen konnte, und wütend auf seinen Großvater. Und ganz besonders wütend war er auf Jose. Der alte Mann konnte David alles erzählen; er konnte den Nebel fortblasen und das Wildpferd Wahrheit einfangen. Jose durfte nicht mehr länger schweigen. David wollte endlich die ganze Wahrheit wissen.
    Er packte Jose noch einmal am Arm und redete mit großem Nachdruck auf ihn ein.
    »Jose, hier geht es um Leben und Tod. Vielleicht muss bereits wieder jemand sterben, während wir hier reden. Was ist in Gurs passiert? Warum hat man Sie den Verräter genannt?«
    Joses braune Augen waren geschlossen, aber er nickte, und dann murmelte er:
    »Si… Sie haben recht. Es ist Zeit. St…«
    David war nicht bereit, Joses Arm loszulassen. Diesmal nicht. Es war ihm egal, ob er dem alten Mann wehtat.
    Mit brüchiger Stimme, fast krächzend, fuhr Jose fort: »Sie haben Versuche mit uns gemacht, David. Viele Untersuchungen. Blutgruppen und Schädelgrößen. Mit den Cagots und den Zigeunern, mit den Kommunisten und den Basken, auch mit Franzosen und Spaniern…«
    Jose blickte auf Davids Hand hinab, die weiter unnachsichtig um seinen Oberarm geklammert blieb. »Fischer lagen bereits Untersuchungsergebnisse aus Namibia vor, von seinen Tests mit den … Baster. Und natürlich mit den Buschmännern. Er hat uns das alles erzählt… er hat es mir erzählt. Vor allem mir.«
    »Das verstehe ich nicht. Was soll das alles mit den Basken zu tun gehabt haben? Und warum hat er es ausgerechnet Ihnen erzählt?«
    »Weil ich …« Jose durchlief ein Zittern. »Weil ich seine rechte Hand wurde. Fischers Freund und Helfer.«
    »Und dafür schämen Sie sich? Dass Sie Fischer geholfen haben?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Ich dachte immer, ich wäre Baske.« Jose hatte wieder zu weinen begonnen. »Ich wurde als Baske erzogen. Ich sprach Baskisch, ich war stolz darauf, Baske zu sein …«
    Plötzlich sah David einen hellen Lichtschein auf das Rätsel fallen.
    »Jose, wurden Sie auch getestet? Auf Ihre Rasse hin, meine ich?«
    »Ja.«
    »Hat man Ihnen gesagt, dass Sie kein Baske sind?« Die geflüsterte Antwort war kaum zu hören. »Ja.«
    »Hat man Ihnen gesagt, dass Sie Cagot sind?«
    Der Regen prasselte auf das Fensterbrett. Und dann blickte Jose Garovillo auf den Teller mit den zur Hälfte gegessenen Angulas in seinem Schoß hinab - und hob den Teller und schleuderte ihn ins Feuer. Der Glitsch der gebratenen Aale erstickte fast die armseligen Flammen.
    Und jetzt brach alles aus Jose hervor.
    »Si. Si, si, si, si, si! Sie haben gesagt, ich sei gar kein Baske, sondern stamme in Wirklichkeit von den Cagots ab. Von den Ausgestoßenen. Von den Menschen der Gans, des Kropfs. Des Wahnsinns. Von den Sarazenen, den Unberührbaren mit den zusammengewachsenen Zehen. Ja!«
    David unterdrückte seine Überraschung.
    »Sind Sie deshalb jetzt hier? Im Cagot-Haus? Wussten Sie deshalb, wo es ist?«
    »Ja, Davido. Als Fischer meine Untersuchungsergebnisse vorlagen, verlegten sie mich aus den Baskenbaracken zu den Cagots. Was das angeht, waren die Nazis richtig zwanghaft - alles musste seine Ordnung haben. Diese Rasse hier, jene Rasse da. Die Juden dort drüben. Da waren sie richtig pingelig. Diese Rassenhierarchie. Abscheulich! Aber ich habe mich so geschämt wegen dem, was sie mit mir gemacht haben, ich kann Ihnen nicht sagen, wie ich mich geschämt habe.« Mit seiner leberfleckigen Hand wischte Jose eine weitere Träne fort und sah David an. »So, wie ich erzogen worden war, verachtete ich die Cagots zutiefst… nein, ich verdammte sie geradezu. Wir Basken wussten, wie es ist, ausgestoßen zu sein, als Minderheit zu gelten. Einerseits sympathisierten wir deshalb sogar mit den Cagots, ja. Aber in unserem tiefsten Innern waren wir wie die Franzosen und die Spanier fest davon überzeugt, dass die Cagots minderwertig waren, Abschaum, Ungeziefer. Kackmenschen! Mit denen etwas nicht stimmte!«
    »Fischer hat Ihnen also gesagt, dass Sie Cagot-Blut hätten und kein baskisches, woraufhin die Nazis Sie in den Cagot-Teil des Lagers verlegt haben. Aber was ist dann passiert, Jose, wie …«
    »In den Baracken habe ich mit vielen Cagots gesprochen. Sie haben mir von diesem Haus erzählt. Sie haben mir viel über ihr Volk erzählt. Über mein Volk. Ich

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