Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
ja jeder kommen. Wer seid ihr?" „Wir sind Schüler der Xanthosschule", erwiderte Mucius. Das beeindruckte den Türhüter nicht sonderlich. „Oho, kolossal!" sagte er. „Da wird unser gnädiger Herr sehr geschmeichelt sein. Erwartet euch mein Herr?" „Das ist nicht nötig", sagte Mucius, „er kennt uns. Wir kommen wegen Rufus."
„Rufus? Wer ist Rufus?" fragte der Türhüter.
„Rufus ist unser Freund. Er ist der Sohn von Marcus Praetonius", antwortete Mucius würdevoll.
Der Türhüter kniff die Augen zusammen und sagte nachdenklich: „Marcus Praetonius? .. . Marcus Praetonius? .. . Äh .. . ist das vielleicht der General, der die Schlacht gegen die Gallier verloren hat?"
„Dafür kann Rufus nichts", sagte Mucius beleidigt.
„Macht, daß ihr weiterkommt!" schnauzte der Türhüter und wollte die Tür schließen, doch zum Glück tauchte gerade Claudia mit einer ihrer Gouvernanten im Hintergrund der Eingangshalle auf, und Mucius brüllte: „Claudia, Hilfe! Er will uns nicht reinlassen!"
Claudia kam sofort angelaufen und befahl dem Türhüter, die Jungen einzulassen. „Sie sind meine Freunde", sagte sie sehr energisch.
Der Türhüter wurde sogleich freundlich, machte die Tür weit auf und rief: „Rechter Fuß voran, bitte!" Es bedeutete nämlich großes Unglück, wenn jemand mit dem linken Fuß zuerst in ein Haus trat.
„Es ist fein, daß ihr kommt", sagte Claudia erfreut. „Ich langweile mich gerade entsetzlich."
Sie war jetzt sehr elegant gekleidet. Sie hatte eine flamingorote Tunika an, die am Rand mit bunten Blumen bestickt war, und ihre Füße steckten in zierlichen seideneh Haussandalen.
„Wir haben leider keine Zeit", sagte Mucius ernst. „Wir müssen sofort deinen Vater sprechen. Wir haben herausbekommen, daß Rufus unschuldig ist."
„Oh, das ist wundervoll!" rief Claudia und klatschte begeistert in die Hände. „Zieht eure Sandalen aus und kommt mit."
Die Jungen streiften rasch ihre Sandalen ab, warfen dem Türhüter einen triumphierenden Blick zu und liefen hinter Claudia her. Sie führte sie in einen großen Säulenhof und bat sie zu warten. „Ich lauf zu meinem Vater und sag' ihm, daß ihr ihn sprechen wollt", sagte sie. Dann rannte sie weg und verschwand hinter einem Vorhang am Ende des Hofes.
Die Jungen zupften hastig die Falten ihrer Togen zurecht und musterten einander kritisch, ob sie auch anständig genug aussähen für den Senator. Flavius lief zu dem Springbrunnen in der Mitte des Hofes, feuchtete seine Hände an und strich sich die Haare glatt. Die andern folgten seinem Beispiel.
„Hallo!" rief plötzlich eine Stimme hinter ihnen, und sie drehten sich überrascht um. Caius stand zwischen zwei Säulen und lächelte verlegen. „Was macht ihr denn hier?" fragte er gespielt munter. Doch seine Freunde starrten ihn nur feindselig an.
Caius grinste sauersüß. „Seid ihr stumm geworden?" fragte er. Aber die andern schwiegen hartnäckig. Da wurde er rot im Gesicht und brummte wütend: „Idioten." Dann zuckte er die Achseln, machte kehrt und verschwand.
„Er hat gemerkt, daß wir böse sind", meinte Flavius.
„Wir werden noch mit ihm abrechnen", sagte Mucius grollend.
„Wir müßten ihn mit irgendeiner List in unsere Höhle locken", sagte Antonius, steckte seinen rechten Fuß ins Wasser, zog ihn aber rasch zurück und sagte: „Oh, das ist aber kalt!" Nun erschien Claudia in einem Spalt des Vorhangs und rief aufgeregt: „Kommt! Mein Vater wartet auf euch."
Die Jungen liefen zu ihr hin, und Claudia ließ sie in eine große, prunkvoll eingerichtete Halle eintreten. Auf dem Fußboden lagen dicke Teppiche, und überall standen breite, mit schwellenden Kissen beladene Sofas. An den Wänden waren Malereien, und von der Decke hingen kostbare Lampen aus alexandrinischem Glas.
Claudia zeigte auf eine hohe Flügeltür zwischen zwei Marmorstatuen und sagte: „Mein Vater ist dort drin im Gymnasium."
„Wie ist er gelaunt?" fragte Antonius.
„Nicht sehr gut", sagte Claudia, die Nase rümpfend. „Ich hab' ihn nur durch die Tür gesprochen, aber seine Stimme klang sehr brummig. Habt ihr Angst?" „Nein", sagte Mucius erbost, aber er schielte doch etwas besorgt auf die Tür.
„Geht ruhig hinein", sagte Claudia. „Er tut euch nichts. Er kennt euch doch." Sie setzte sich auf eine Couch, lehnte sich anmutig in die Kissen zurück und schaute die Jungen teilnahmsvoll an.
Mucius ging zur Tür, strich seine Toga glatt und öffnete.
Der Senator lag auf einem breiten Marmortisch
Weitere Kostenlose Bücher