Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
Und dann drehte er sich zur Wand um, zog die Decke über die Ohren, und die Jungen hörten ihn erstickt schluchzen.
Julius sagte beschwichtigend: „Wir glauben nicht, daß du lügst. Aber es ist sehr schwer, eine Handschrift zu fälschen. Ich weiß das von meinem Vater. Der Fälscher müßte deine Handschrift lange studiert haben, um jeden Buchstaben genau nachmachen zu können."
Rufus setzte sich mit einem Ruck auf. „Die Schreibtafel!" stieß er hervor. „Die Schreibtafel, die ich in der Klasse an die Wand gehängt habe! Da stand doch ,Caius ist ein Dummkopf' drauf."
Die andern wußten nicht, worauf er hinauswollte.
„Du sprichst in Orakeln", sagte Publius.
„Vielleicht hat sie jemand gestohlen, um meine Handschrift nachmachen zu können", sagte Rufus. „Xantippus sind aber nur Bücher und Bilder gestohlen worden", sagte Julius.
Rufus war enttäuscht, doch Antonius schrie aufgeregt: „Kinder! Die Schreibtafel war wirklich weg! Erinnert ihr euch nicht? Sie hing doch heute morgen nicht mehr an der Wand!"
Nun freuten sich alle. „Wir müssen sofort in die Schule", sagte Mucius. „Wenn sie gestohlen ist, hat Rufus recht; dann ist es klar, daß seine Handschrift gefälscht worden ist."
„Wieso?" fragte Publius.
„Wieso, wieso?" äffte Mucius ihm nach. „Weil kein Einbrecher eine lumpige, beschriebene Kinderschreibtafel stiehlt, wenn er nicht etwas Faules damit vorhat."
„Mag sein", gab Publius zu.
„Zieh dich rasch an und komm mit uns!" rief Mucius Rufus zu. Rufus schaute betroffen drein und stotterte: „Nein .. . ich .. . äh .. . ich bin erkältet." Und er begann, krampfhaft zu husten.
„Es ist auch besser, wenn er sich nicht sehen läßt", sagte Julius.
„Also gut, bleib hier", sagte Mucius. „Wir sind bald wieder da."
Die Jungen häuften ihre Schulsachen in einer Ecke auf und brachen sofort auf. Kaum waren sie draußen, als Rufus hastig unter sein Bett schaute, erleichtert aufatmete und sich mit einem Seufzer zurücklehnte.
Xantippus war erstaunt, als seine Schüler unerwartet zurückkamen. Er saß im Bett und las. Sein rechtes Bein war in feuchte Tücher gehüllt. In der winzigen Küche fuhrwerkte eine dicke Negerin mit dem Geschirr herum. Als sie die Jungen vernahm, guckte sie neugierig um die Ecke und grinste sie fröhlich an. Ihre langen Zähne schimmerten wie Elfenbein in ihrem freundlichen schwarzen Gesicht.
„Lehrer krank, keine Schule", sagte sie kichernd. „Armer Mann, schlimme Schmerzen, oh, oh!" Sie rollte ein paarmal die Augen, um ihr Mitgefühl auszudrücken, dann kehrte sie zu ihren Töpfen zurück.
„Was wollt ihr?" fragte Xantippus mürrisch.
Mucius bat um Rufus' Schreibtafel.
„Welche Schreibtafel?" fragte Xantippus zerstreut.
„Die, auf die Rufus ,Caius ist ein Dummkopf* geschrieben hat", sagte Mucius. Xantippus wurde mißtrauisch. „Was wollt ihr damit?" „Rufus möchte sie gern zurückhaben, er will sie wegwerfen", log Mucius, ohne zu zögern. „Er schämt sich so."
Die Jungen hatten unterwegs beschlossen, Xantippus nichts von der Tempelschändung zu erzählen. Sie fürchteten, er würde wieder wütend auf Rufus werden.
„So, er schämt sich", sagte Xantippus befriedigt. „Das war auch Zeit. Die Schreibtafel muß dort in der Truhe liegen."
„Hängt sie nicht mehr nebenan an der Wand?" fragte Julius scheinheilig. Er wollte nur wissen, warum Xantippus sie abgenommen hatte.
„Nein", sagte Xantippus, „solche Dummheiten haben an den Wänden meiner Schule nichts zu suchen. Ich habe sie gestern abend in die Truhe geworfen, und ihr habt sievorhin wieder hineingetan." Die Jungen machten sich über die Truhe her und durchwühlten sie von oben bis unten, aber die Schreibtafel war nicht drin.
„Sie ist weg", meldete Mucius, innerlich triumphierend.
„Dann habt ihr sie anderswo hingelegt", schimpfte Xantippus. „Das kommt von eurer Disziplinlosigkeit."
Die Jungen durchsuchten alle Regale und schließlich auch noch das Klassenzimmer, doch die Schreibtafel war nicht aufzufinden. Sie liefen zu Xantippus zurück, und Mucius sagte: „Der Dieb hat Rufus' Schreibtafel gestohlen!"
Xantippus wunderte sich. „Ein seltsamer Dieb", sagte er. „Für die Schreibtafel wird er nicht einmal eine Kupfermünze kriegen."
Die Jungen verabschiedeten sich von Xantippus, doch beim Hinausgehen sah Antonius etwas Glänzendes unter dem Schrank liegen, lief hin und zog es hervor. „Seht, was ich gefunden habe!" rief er.
Es war eine kurze, dicke goldene Kette, die an
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