Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
sich auf den Boden nieder und starrte verzweifelt ins Dunkle. Doch plötzlich richtete er sich kerzengerade auf. Er hatte bei einem Blitz flüchtig das flache Dach eines andern Hauses in greifbarer Nähe vor sich gesehen. Zwischen den beiden Dächern war nur ein ungefähr armlanger Spalt gewesen, und er stellte sich sprungbereit hin. Beim nächsten Blitz sprang er hinüber, fiel hin, aber der Sprung war gelungen. Er jubelte. Hier würde er bestimmt auch eine Dachluke finden, und er war kühn entschlossen, die fremden Leute zu wecken und sie zu bitten, ihn rauszulassen. So schlimm wie Lukos konnten sie nicht sein. Aber was sollte er ihnen erzählen, wie er in ihr Haus gekommen war? „Ich werde ihnen einfach die Wahrheit sagen", überlegte er sich. Er kroch vorsichtig weiter, doch auf einmal griffen seine Hände ins Leere, er verlor das Gleichgewicht und stürzte kopfüber in die Tiefe. „Es ist aus!" war sein letzter Gedanke. „Ich muß sterben!" Dann fiel er aufklatschend ins Wasser und sank wie ein Stein unter.
Mucius war ein guter Schwimmer und kam nach ein paar kräftigen Stößen rasch an die Oberfläche. Es war stockfinster, und er konnte nicht das geringste erkennen. Das Wasser war ihm in die Nase gedrungen, es stach wie mit tausend Nadelstichen in seinem Gehirn. Rufus' Mantel dünkte ihm so schwer wie eine Eisenrüstung, und er mußte heftig Wasser treten, um nicht unterzugehen. Er war vollkommen ahnungslos, wo er sein konnte. Er mußte in einen Fluß gefallen sein, denn er spürte unter seinen Füßen eine starke Strömung. Aber wie war das möglich? Der Tiber war mindestens eine halbe Meile von hier entfernt, und einen andern Fluß gab es weit und breit nicht in dieser Gegend. „Vielleicht bin ich tot?" fiel ihm erschrocken ein. „Und ich schwimme im Styx, der zum Hades führt?" Aber auch das war nicht denkbar. Die Toten mußten hübsch ordentlich warten, bis Charon sie mit der Fähre übersetzte. Es war einem auch nicht schlecht, wenn man tot war, und Mucius war übel, weil er zuviel Wasser geschluckt hatte. Plötzlich merkte er, daß es nicht mehr regnete und daß es auch völlig windstill geworden war; und soeben hatte es noch in Strömen gegossen. Aber er hörte den Regen hoch über sich aufprasseln. Er starrte hinauf und sah einen Moment lang den vom Blitz erleuchteten Himmel in einem viereckigen Ausschnitt. Kein Zweifel! Das da oben war eine Dachluke, und er mußte in das fremde Haus hineingefallen sein. Aber wie kam der Fluß in das Haus? Rätselhaft!
Er ermüdete, ließ sich von der Strömung treiben und stieß nach kurzer Zeit gegen eine glatte Wand. Sie fühlte sich wie Marmor an. Dann verspürte er Grund unter den Füßen und stellte beglückt fest, daß das Wasser rasch fiel. Bald reichte es ihm nur noch an die Hüften, und schließlich sprudelte es harmlos um seine Fußgelenke. Er watete an der Wand entlang, stieß gegen eine Steintreppe, stieg sie hinauf und setzte sich erschöpft auf die oberste Stufe.
Er fühlte sich wie zerschlagen und war so müde, daß er keinen klaren Gedanken fassen konnte. Wenn er nur rauskriegen könnte, wo er war. Er verwünschte die Finsternis, denn er traute sich nicht von seinem Platz. Aber plötzlich mußte er laut auflachen. Schlagartig war ihm die Erleuchtung gekommen, wo er sich befand. Er war ins Dianabad gefallen. Direkt ins Schwimmbassin. Nein, war das ulkig! Er kannte das Bad sehr gut, es war ein vornehmes Bad für reiche Patrizier, und er war schon oft mit seinem Vater hier gewesen. Er hatte nie gewußt, daß es hinter Lukos' Haus stand. Er war schon oft in demselben Bassin vergnügt herumgeschwommen, in das er soeben unfreiwillig hineingefallen war.
Und nun fiel ihm ein, was er für ein kolossales Glück gehabt hatte. Das Wasser wurde jeden Abend abgelassen, daher auch die starke Strömung. Wenn er nur kurze Zeit später hier reingefallen wäre, hätte er sich auf dem Boden des Bassins das Genick gebrochen.
Er sprang auf und suchte solange umher, bis er das Eingangstor fand. Aber, o weh, es war fest verschlossen. Und einen anderen Ausgang gab es nicht, das wußte er. Er war zum zweitenmal eingesperrt. Da half nichts, er mußte die ganze Nacht warten, bis man ihn rausließ.
Er suchte sich eine Marmorbank, knüllte Rufus' Mantel als Kopfkissen zusammen, streckte sich aus und schlief sofort ein.
13. Kapitel
Ein Bad kann manchmal auch nützlich sein
Am nächsten Morgen wurde er unsanft geweckt. Ein stämmiger Araber stand über ihn gebeugt und
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