Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
nachdenke.“
„Und worüber denken Sie im Moment nach?“
Jamie tat, als interessierte ihn die glänzende neue Galerie ungemein. Eine vergoldete Decke wölbte sich über die ganze Länge des breiten Gangs. Längs jeder Wand sowie an jedem Quergang war hinter dicken Glasscheiben exotisches Seegetier ausgestellt. Von einem Ende der Marmorgalerie drang eine Melodie von Saint-Saens herüber, und am anderen Ende legten weiß gekleidete Kellner letzte Hand an die mit Getränken und Speisen beladenen Tische.
„Ich versuche nur, mich an das letzte Mal zu erinnern, da ich eine schöne Frau im Arm hielt.“ Diese Schmeichelei klang ehrlich. „Meine liebe Madam, das ist schon viel zu lange her.“
Tatsächlich erinnerte er sich noch allzu deutlich daran, wie er die lustige Witwe Fortenay verführt hatte, und ebenso deutlich erinnerte er sich an die rüde Störung, die letztlich Mrs. Fortenays Tugend gerettet hatte - ein lauter Niesanfall, der aus dem Dunkeln kam.
„Ist sie wenigstens lustig, Ihre lange Einsamkeit?“ erkundigte sich seine Gefährtin.
„Eine persönliche Tragödie ist sie“, antwortete Jamie und strafte damit sein Lächeln Lügen. „Ich bestehe darauf, dass Sie mich daraus erretten, indem Sie mir die Ehre eines Tanzes erweisen, Mrs. Fortenay.“
Der kaum verhohlene Hintergedanke war der Dame anzusehen, als sie sein Angebot annahm. „Da Sie mich mit Mrs. Fortenay anredeten, wissen Sie es wahrscheinlich noch nicht: Ich habe einen neuen Gatten gefunden.“
Da hat sie ja keine Zeit verloren, um wieder zu heiraten, dachte Jamie und war hin und hergerissen zwischen Bewunderung und Zynismus. „Ah, Sie brechen mein Herz“, erklärte er und sah, wie ihre Augen bei dieser Schmeichelei aufleuchteten. „Dann darf ich ja wohl gratulieren - Ihnen und ganz besonders dem glücklichen Bräutigam.“
Obgleich sie gerade erst geheiratet hatte, sandte sie eindeutige Zeichen aus; die Zunge, mit der sie ihre Lippen befeuchtete, der schwüle Blick, ihre einladende Hand in der seinen ...
Von alldem blieb er seltsam unbeeindruckt. Noch schlimmer, es langweilte ihn. Heimliche Affären reizten ihn nicht mehr; sie waren alle gleich und lohnten nicht die Mühe.
Da eine Reaktion von ihm ausblieb, drückte die ehemalige Mrs. Caroline Fortenay den Daumen in den Muskel seines Oberarms. „Ich glaube, ich brauche mehr als nur einen Tanz mit Ihnen, Herr Abgeordneter.“
„Ma’am, Sie sind zu liebenswürdig. Womit habe ich mir das verdient?“
Sie lachte, und es klang, als zerbräche Kristall. „Sie haben es gar nicht verdient. Mein Gatte meint sogar, Sie sollten von einem durchgehenden Pferd zu Tode geschleift werden - beziehungsweise von einem Zug.“
Diese bildhafte Vorstellung weckte seine Neugier. „Und Ihr Gatte ist...?“
Caroline drehte ihn um und deutete auf einen rundlichen, älteren Herrn mit von einem Haarkranz umrahmter Glatze, schweren Hängebacken und der großen roten Nase eines Gewohnheitstrinkers. „Horace Riordan, Präsident der Chesapeake Union Railway Company“, sagte sie.
„Ich stehe ganz deutlich nicht in seiner Gunst“, bemerkte Jamie, dem Riordan einen giftigen Blick quer durch den Raum zuwarf.
„Ich soll Sie dazu verführen, Ihre Anti-Eisenbahn-Kampagne aufzugeben. Falls Sie damit durchkämen, hätten wir nämlich keinen Schienenkorridor durch die Tidewater-Region.“
„Das dürfte wohl der Sinn der Sache sein, Ma’am. Übrigens wirkt Ihr Zauber bereits.“ Die Tatsache, dass auch sie eine Absicht verfolgte, machte das Spiel interessanter. Jamie ließ seine Hand aufreizend an dem Rücken der Dame hinuntergleiten. „Ich finde Sie in der Tat bezaubernd.“
Caroline bog ihren Rücken durch und drückte sich enger an Jamie. „Sie werden die Sache also fallen lassen?“
Gewiss doch, dachte er. Weshalb sollte auch die Existenz von ein paar Tausend Farmern dem Reichtum eines Einzelnen im Wege stehen?
Jamie setzte das Lächeln auf, das ihm auf seinen Reisen schon so manch aufregende Nacht eingetragen hatte. „Meine Liebste, ich vermische niemals Politik und Vergnügen, doch ich werde ..." Er neigte sich zu ihr und flüsterte ihr einen seiner schockierendsten Vorschläge ins Ohr.
Caroline errötete, und er hoffte, sie wäre eher interessiert als beleidigt. Dennoch war er ein wenig beunruhigt. Sie wich zurück, und er bereitete sich schon auf eine Ohrfeige vor.
„Wann?“ fragte sie nur.
Er warf wieder einen Blick zu Horace Riordan hinüber. Diesem raffgierigen Bastard geschähe es
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