Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
ganz recht, wenn ich seine frisch gebackene Ehefrau verführte, dachte er. Doch selbstverständlich war ein Mann wie dieser vermutlich daran gewöhnt, dass seine Frauen direkt unter seiner dicken Nase verführt wurden.
„Wann also?“ flüsterte sie drängend. „Sagen Sie es mir doch.“
Bevor er zu antworten vermochte, erhob sich Stimmengewirr, und Jamie zog Caroline an den Rand der Tanzfläche. Senator Cabot war in Begleitung des Vizepräsidenten und dessen Gattin erschienen; die drei standen jetzt oben auf der Marmortreppe. Wie königliche Hoheiten stiegen sie hinunter in das Meer der Partygäste.
Dann richtete sich die Aufmerksamkeit der Menschen auf ein junges Paar, das oben auf der Treppe erschien.
„Das ist Boyd Butler“, stellte Caroline fest.
„Ja, sieht ganz so aus.“
„Und die Dame bei ihm muss seine Verlobte sein.“
„Glaube ich auch.“
„Das kann aber nicht sein“, meinte Caroline. „Ich las doch in der ,Post‘, er würde Miss Abigail Cabot heiraten.“
Nach dem katastrophalen Telefongespräch hatte Jamie sich umgehend in das Verlagsbüro der ,Washington Post“ begeben, hatte Timothy Doyle aufgesucht und diesem die Bekanntmachung diktiert, die jetzt wie eine einzige Lobpreisung für Miss Cabot, deren Lebhaftigkeit, deren Stil und deren Klugheit klang.
Die Leute hatten natürlich den Artikel gelesen und wollten jetzt die junge Dame persönlich in Augenschein nehmen, um das, was in der Zeitung gestanden hatte, mit dem zu vergleichen, was sie nun mit eigenen Augen sehen würden.
„Nun?“ drängte Caroline. „War das eine Falschmeldung der ,Post‘?“
„Durchaus nicht. Boyd Butler ist mit Miss Abigail Cabot verlobt.“
„Nur wer ist denn dann ...“ Caroline sprach nicht weiter, sondern drängte sich vor, um besser sehen zu können. „Große Güte, das ist tatsächlich Abigail Cabot! Sie hat sich ja netter zurechtgemacht, als ich es mir je hätte vorstellen können.“
Nach dem aufgeregten Flüstern zu urteilen, das nun den Raum erfüllte, teilte wohl jeder der Anwesenden ihre Verblüffung. „Sie war doch immer so ein armseliges Geschöpf“, meinte jemand. „Ja, unordentlich, reizlos und hoffnungslos linkisch“, pflichtete eine andere Dame bei. „Wer hätte jemals gedacht, dass sie sich derartig verändern würde?“
Jeder, der sich die Mühe gemacht hätte, sich Abigail einmal genauer anzusehen, beantwortete Jamie die Frage im Stillen. Diese Mühe indes hatte sich natürlich niemand gemacht.
Nicht einmal der Mann, den sie zu ehelichen plante.
Zusammen mit allen anderen Gästen in dem großen Saal beobachtete Jamie, wie das junge Paar die Treppe herunterstieg. Abigails große, weit auseinander liegende Augen glänzten vor Aufregung, und auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck von erstaunlicher Zuversicht und Triumph. Sie hatte einen doppelten Sieg errungen: Der Mann ihrer Träume gehörte jetzt ihr, doch was möglicherweise noch wichtiger war - sie hatte das erreicht, was ihr ein Leben lang Vorbehalten geblieben war und wonach sie sich mehr gesehnt hatte als nach allem anderen - die Anerkennung ihres Vaters.
Jamie begriff nicht, weshalb das für sie so viel zählte. Weshalb ließ sie ihren Wert von einem anderen Menschen bestimmen?
Neben ihm standen Caroline und Mrs. Whitney, die Gattin des Marineministers. Die beiden Damen fragten sich laut, welcher Zauber wohl die unscheinbare Tochter des Senators in ein hinreißendes
Geschöpf verwandelt hatte, das für einen derartig hoch stehenden Mann wie den Sohn des Vizepräsidenten angemessen war.
„Ich glaube, sie trägt eine von Madame Broussards Schöpfungen“, meinte Caroline und reckte den Hals, um noch besser sehen zu können.
„Madame hat sich selbst übertroffen“, gab ihr Mrs. Whitney Recht. „Das ist das raffinierteste Gewand, das ich seit Ewigkeiten gesehen habe.“
Jamie fand das Gewand ebenfalls hübsch; mit der langen Linie und den schillernden Farbtönungen schenkte es Abigail die Illusion königlicher Größe.
„Ja, außerordentlich geschickt“, pflichtete Caroline bei. „Das Gewand ist perfekt geeignet für die Eröffnung des National-Aquariums. Der Seidenstoff schimmert ja wie das Meer, nicht wahr?“
Jamie verstand nicht, wie die beiden Damen so viel in ein Gewand hineininterpretieren konnten, doch das war wohl eine der weiblichen Sichtweisen, die ihm immer unbegreiflich sein würden.
„Ja, und mit diesem Brillant-Halsschmuck ist es vollkommen“, schloss Mrs. Whitney.
Tatsächlich, Abigail
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