Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
trank den Branntwein mitsamt Inhalt aus und gab mächtig damit an, dass er den Wurm mit übertriebenem Genuss zerkaute.
Die beiden Schwestern warfen einander einen Blick zu. Abigail schloss die Augen und atmete frische Luft durch die Nase ein; Helena suchte den nächsten Spucknapf.
„Sie wünschen also die ,Washington Post“ anzurufen.“ Professor Rowan, der den Ekel der Schwestern nicht zur Kenntnis nahm, setzte sich vor den großen Holzkasten an der Wand und machte sich daran, das Telefongerät zu betätigen. Jemand am anderen Ende stellte die Verbindung zu dem Telefon der Zeitung her. Eine schwache Stimme war zu hören.
„Ja? Hier spricht Timothy Doyle von der ,Post‘.“
„Hören Sie mich? Hier spricht Michael Rowan in Georgetown.“
„Ja, Professor, ich höre Sie klar und deutlich.“
„Gut. Ich habe Neuigkeiten, die Sie drucken können: Der Sohn des Vizepräsidenten wird Senator Cabots Tochter heiraten.“
„Was Sie nicht sagen - Boyd Butler und Helena Cabot?“ „Nein“, sagte Rowan eilig. „Boyd Butler und Miss Abigail Cabot.“
„Was denn, die Kleine, etwas Merkwürdige? Sehr komisch, Professor. Das kann ich ja wohl kaum drucken. Man würde das für einen Witz halten, und ich schreibe keine Satiren.“
Jamie legte einen Hebel um und unterbrach damit rasch die Verbindung. Abigail fühlte sich so kalt und leer wie eine verlassene
Höhle. Rowans Gesicht war blass geworden. Er murmelte irgendeine Entschuldigung und verzog sich, um nach Helena zu sehen. „Abby, es tut mir wirklich Leid“, versicherte Jamie.
Ein Witz! Der Reporter hatte vermutlich Recht. „Es gibt nichts, wofür Sie sich entschuldigen müssten“, sagte sie zu Jamie. „Ich bin eine Schwindlerin, und das wird bald jeder wissen.“
Böse Gedanken gingen ihr im Kopf herum. „Ich sollte Boyd die Chance geben, einen Rückzieher zu machen. Er war heute ein wenig durcheinander, ein bisschen zu gefühlsbetont. Ich hätte seinem Antrag nicht so schnell zustimmen sollen.“ Sie stand kurz davor, in Tränen auszubrechen.
Jamie nahm ihre Hände, die sich feucht und kalt anfühlten. „Schauen Sie, die Leute haben die neue Abigail Cabot doch noch gar nicht gesehen. Und wenn sie Sie erst einmal zu Gesicht bekommen haben, werden leichtfertige Reporter ihre eigenen Worte essen wie die Agaven-Würmer.“
Abigail blickte ihn an, sah dieses verteufelt schöne Gesicht und diese fröhlichen Augen. Er war sich seiner so sicher; er war sich ihrer so sicher. Zuvor war sich noch nie jemand ihrer sicher gewesen. Jamie glaubte an sie auf eine Weise wie noch niemand zuvor in ihrem Leben. Er machte den Eindruck, als läge ihm wirklich etwas an ihr. Doch das wusste sie natürlich besser.
„Ich werde Zusehen, dass mein Vater Ihre Rolle bei dieser Sache versteht. Schließlich muss ich Ehre erweisen, wem Ehre gebührt.“
„Abby..."
„Ich will auf keinen Fall, dass Sie mich für undankbar halten. Das bin ich nämlich wirklich nicht.“ Sie erhob sich ein wenig schwankend, was an den Nachwirkungen des Tequilas lag.
„Fein.“ Jamie nickte. „Die dumme Bemerkung, die Sie eben am Telefon gehört haben, ist nur der Anfang. Sie werden sehr stark sein müssen.“
„Das kann ich.“
„Die Gesellschaft kann in ihrem Urteil sehr hart sein, Abby.“ „Das ist die Einsamkeit ebenfalls“, erwiderte sie leise.
24. KAPITEL
Mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks trafen Briefe und Blumenarrangements von Leutnant Butler ein, der Abigails Empfindlichkeit gegen Blütenstaub vergessen zu haben schien. Wie die heftigen Niesanfälle, so überfielen jetzt die Zweifel sie.
Dieses muss einfach richtig sein, sagte sie sich. Jeder war so erfreut - ihr Vater, ihre Schwester, die Butlers und die ortsansässige Oberschicht, die sie früher für eine Eigenbrötlerin gehalten hatte. Abigail erhielt sogar eine Gratulation von der First Lady und eine Einladung zur Gala anlässlich der Eröffnung des neues National- Aquariums.
Allerdings wuchs mit ihrer Erregung auch ihre Unsicherheit. Es ging alles so schnell, viel zu schnell. Boyd sollte ein Kommando zur See bekommen, und er wünschte Abigail zu ehelichen, bevor sein Schiff die Segel setzte. Das ließ ihr nur wenige Wochen für die Vorbereitungen, und sie wusste nicht, womit sie anfangen sollte. Sie benötigte Hilfe. Und es gab nur einen Menschen, der ihr bei solchen Dingen zu helfen vermochte. Also ging sie nach nebenan, um ihm einen Besuch abzustatten.
Zuerst traf sie auf den säuerlichen Gerald Meeks; sie
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