Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
mein Leben verändert haben.“
Er lachte. „Das haben Sie doch ganz allein getan.“
„Ich allein hätte überhaupt nicht gewusst, wie man sich in der Gesellschaft verhalten muss.“
Er schüttelte den Kopf. „Wie können Sie die ganze quadratische Gleichung im Kopf haben und trotzdem nicht wissen, wie man sich mit der Gattin des Kriegsministers über das Wetter unterhält?“
„Ich gestehe, das ist mir selbst ein Rätsel. Doch Ehre, wem Ehre gebührt - Sie sind mein Pygmalion.“
Pyg... Pig ... Schwein? Es war zwar nicht das erste Mal, dass eine Frau ihn „Schwein“ nannte, doch von Abigail hatte er das nicht erwartet.
Sie lachte über seinen Gesichtsausdruck. „Offensichtlich sind Sie nicht vertraut mit der griechischen Mythologie. Bei Pygmalion handelt es sich um einen von den Frauen desillusionierten Bildhauer. Weil er die ideale Frau nirgends im wirklichen Leben zu finden vermochte, schnitzte er sie sich aus Elfenbein. Der Rest der Geschichte passt allerdings weniger auf uns.“
„Wieso nicht?“ Der Gedanke, sich eine Frau nach eigenen Vorstellungen zu schnitzen, gefiel Jamie.
„Nun, Pygmalion war von seiner Schöpfung besessen. Er verliebte sich in sie, schmückte die Skulptur mit Juwelen und mit Stoffen aus Tyros, und schließlich bat er die Göttin Aphrodite, die Statue zum Leben zu erwecken. Sein Kuss machte sie am Ende lebendig, er heiratete sie und - nun, über den Ausgang dieses Mythos gibt es mehrere Überlieferungen. Nach einer Version bekamen die beiden einen prächtigen Sohn und lebten glücklich bis an ihr seliges Ende. In einer anderen Version der Geschichte jedoch gab es Probleme.“ „Was für Probleme?“
„Nachdem sie einmal lebendig geworden war, vermochte Pygmalion sie nicht mehr zu kontrollieren, und zum Schluss brachte sie ihn eigenhändig um.“
„Ist es das, was mir ebenfalls bevorsteht? Von Ihrer Hand umgebracht zu werden?“ Er fing Abigails Hand ein.
„Zweifellos.“
„Wenigstens geschieht es dann aus patriotischen Gründen.“ „Ungemein komisch!“
Mit einem vollen Teller in jeder Hand gesellte sich Boyd Butler zu ihnen an den runden Tisch. „Da sind Sie ja, meine Liebe. Ich schwöre, über Sie habe ich mehr Komplimente gehört als über die Piranha-Ausstellung.“
Abigail schenkte ihm einen entzückenden Blick. „Das ist ungemein erleichternd. Es hätte mir auch nicht gefallen, von einem Fleisch fressenden Fisch ausgestochen zu werden.“
Ein Kellner erschien und trug ein Tablett mit zerstoßenem Eis, auf dem eine ganze Flotte roher Austern in halben Schalen angeordnet war.
„Sehen Sie nur“, bemerkte Jamie. „Austern - Ihre Lieblingsspeise!“
Abigail warf einen scheuen Seitenblick auf Butler, nahm eine Auster auf und reichte sie ihrem Verlobten. Da sie dabei errötete, wusste Jamie genau, dass sie daran dachte, was er ihr über die als Aphrodisiakum geltenden Austern gesagt hatte.
Butler schlürfte den Leckerbissen herunter, lächelte sie dabei an, und sogar Jamie spürte, wie sie vor Glück glühte. Ringsherum ein triumphaler Augenblick, dachte er und griff sich noch ein Glas Champagner. Er selbst hatte eine Kleinigkeit übersehen, als er diese „Elfenbeinfrau“ erschuf: Er musste sie einem anderen Mann überlassen.
Und das tat er auch, und zwar ganz freiwillig. Er begehrte sie ja nicht, hatte sie nie begehrt, jedenfalls nicht auf romantische Weise. Herzensverwicklungen hatte er längst überwunden. Dafür war er viel zu weltmännisch und kultiviert.
Trotzdem ärgerte es ihn, dass Butler sich wie ihr Eigentümer aufspielte und dass sie ihn mit verklärtem Blick anschaute.
„Jetzt sind Sie an der Reihe“, erklärte der Leutnant und suchte eine dicke, kalte Auster aus.
Abigail blickte ihn entsetzt an.
„Na los doch, meine Liebe“, drängte Butler amüsiert.
Es war seltsam: Sie gehorchte ihrem Verlobten ebenso ergeben wie ihrem Vater. Jamie merkte, dass sie an ihre erste Erfahrung mit Austern dachte, während sie die Delikatesse aus Butlers Hand entgegennahm und sie dann hinunterschluckte. Nur Jamie sah, wie sich die Panik in ihren Augen spiegelte, während sie sich ihren Ekel nicht anmerken ließ.
„Gut gemacht“, lobte der Leutnant. „Wirklich sehr gut gemacht.“
Mit seiner gönnerhaften Art glich er genau ihrem Vater. Sie tauschte also den einen egozentrischen und herablassenden Mann gegen den anderen ein. Sah sie das denn nicht? Und störte es sie denn gar nicht? Jamie unterbrach seine Überlegungen, entschuldigte sich mit
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