Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
ehrlichste Erklärung null und nichtig zu machen.
Abigail wusste einfach nicht, wie sie diesem verbitterten Mann klarmachen sollte, was sie für ihn empfand. Er würde sie nur auslachen und ihr erzählen, ihre Liebe sei eine Sinnestäuschung, ebenso flüchtig und substanzlos wie eine Nebelschwade.
Auch gut, dachte sie, dann werde ich es ihm eben zeigen. Sie holte tief Luft. „Sie haben Ihr mir gegebenes Versprechen nicht eingehalten“, wiederholte sie.
„Ich? Ich soll ein Versprechen gebrochen haben? Niemals!“ Er legte die Hand über seiner nackten Brust aufs Herz.
„Sie brauchen gar nicht bissig zu werden. Sie versprachen mir doch, Sie wollten mich in allem unterrichten, was zur Durchführung einer Romanze erforderlich ist.“
„Und habe ich das nicht getan? Der arme Trottel frisst Ihnen doch aus der Hand, Abby! Was wollen Sie denn noch?“
Sie schluckte und nahm all ihren Mut zusammen. „Über die körperliche Liebe weiß ich noch immer so gut wie gar nichts.“
Für einen Moment wirkte er völlig verwirrt. Dann lehnte er sich wieder gegen die Kissen und lachte leise. „Sie sind doch eine kluge Frau, Abby. Ich sah Sie über Rowans Anatomiebüchern hocken. Und tun Sie nicht so, als hätten Sie sich nicht jede Seite des Kamasutra genau angeschaut, wenn Sie dachten, ich würde es nicht sehen.“
Oh Himmel - das hatte er bemerkt!
„Das ist aber nicht dasselbe“, behauptete sie. „Ich habe auch Bücher über das Reiten gelesen, doch bevor ich wirklich auf einem Pferd saß, hatte ich keine Ahnung, wie man es anstellt.“ Sie trat kühn so dicht ans Bett heran, dass ihre Knie die Kante berührten. „Stellen Sie sich nur vor, was für eine Enttäuschung ich als Braut wäre, falls ich mich in der Hochzeitsnacht als ungeschickt oder verschämt erwiese.“
„Falls Sie glauben, darüber würde ich auch nur eine Sekunde nachdenken, sind Sie verrückt.“ Er winkte ungehalten ab. „Gehen Sie wieder, Abby. Sie wollen doch gar nicht mit mir zusammen sein - weder heute noch in sonst einer Nacht.“
Abigail atmete tief durch. „Sie fürchten sich nur vor dem, was geschehen könnte, falls ich bliebe.“
Er lachte erneut auf diese eigenartig grausame Weise. „Ich vermag Sie die Liebe nicht zu lehren, weder die körperliche noch sonst eine. Wenn Sie jedoch die Tricks einer Hure ...“
„Und wenn?“
„Ziehen Sie sich aus!“
Er will mich verängstigen und einschüchtern, damit ich davon- laufe, dachte sie. Doch dies hier war schließlich Jamie, und vor dem könnte sie sich niemals fürchten.
Wild entschlossen ließ sie ihren Umhang zu Boden gleiten. Darunter trug sie ein zartes Batistnachtkleid, das Madame Brous- sard für sie entworfen hatte. Doch mit einem Mal wurde sie sich der fürchterlichen Wahrheit bewusst, an die sie bis jetzt noch gar nicht gedacht hatte. Tatsächlich hatte sie schon seit Wochen nicht mehr an ihre Behinderung gedacht, denn dazu beschäftigte Jamie sie viel zu sehr mit Kleideranproben, Schlepperfahrten auf dem Chesapeake-and-Ohio-Kanal, gespielten Gesellschaften und Reitstunden. Sie merkte erst jetzt, dass er sie viel zu sehr damit beschäftigt hatte, zu leben, anstatt sich wegen ihres Fußes zu bekümmern.
„Machen Sie das Licht aus“, forderte sie.
„Nein.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Liebe findet nicht im Dunkeln statt. Das müssen Sie lernen.“ Er schien ungemein selbstsicher zu sein, weil er offenkundig erwartete, dass sie nun die Flucht ergriffe.
Dieser Versuchung widerstand Abigail jedoch. Er hatte ihr einmal vorgeworfen, sie scheue das Risiko. Jetzt war sie fast bereit, alles zu riskieren. Und wie schrecklich konnte es schon werden? Sicherlich nicht schlimmer als die unzähligen Demütigungen, die sie in der Vergangenheit erlitten hatte. Frauen auf der ganzen Welt entkleideten sich vor Männern, ohne daran gleich zu sterben. Nur sahen die meisten Frauen auch nicht so aus wie sie.
Abigail holte tief Luft, streifte ihre flachen Hausschuhe ab und öffnete die lange Reihe der Perlknöpfe am Vorderteil ihres Gewandes. Danach ließ sie das Kleidungsstück ebenfalls zu Boden gleiten. Jetzt war sie nur noch mit einem dünnen Unterhemdchen bekleidet. Als sie sah, wie Jamie sie betrachtete, kämpfte sie gegen das stärker werdende Bedürfnis an, auf Nimmerwiedersehen davonzulaufen. Tief in ihrem Inneren indes erkannte sie, dass sie gar nicht fliehen wollte; in Jamies grimmigem Blick lag etwas Bezwingendes, etwas, das ihr den sehnsüchtigen Wunsch
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